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29. September 2019Freiwilligenarbeit – wem hilft man wirklich?
Nach dem Abitur oder dem Bachelor noch schnell die Welt retten, mit Volontourismus. Volunteering und Tourismus kombiniert. Genau das tun jährlich um die 1,6 Millionen Menschen, und es werden immer mehr. Statt Urlaub bucht man ein paar Wochen Entwicklungshilfe beim Reiseveranstalter - aber passt das zusammen?
Das Konzept ist einfach: Man bucht den Trip bei einem Reiseveranstalter, der die Freiwilligen an eine Organisation vor Ort vermittelt.
Einen Monat lang auf Sri Lanka Schildkröten retten, für 2390€, oder doch lieber für 1800€ nepalesische Waisen pflegen? Scheinbar endlos sind die Möglichkeiten, eine Reise zu buchen auf der man Spaß hat, eine fremde Kultur kennen lernt und gleichzeitig so einiges für sein Karma tut. Klingt fast zu gut um wahr zu sein und das ist es in vielen Fällen leider auch. Warum ihr euch genau überlegen solltet, ob ein Abstecher in ein Dritte-welt-land sinnvoll ist, erfahrt ihr hier.
Das Problem: Die Reiseanbieter konzentrieren sich hauptsächlich auf die Wünsche und Bedürfnisse der Volunteers. Nicht auf die der Menschen vor Ort. Das führt dazu, dass die Lebenssituation der Einheimischen oft sogar verschlechtert wird. Zum Beispiel werden ihnen Arbeitsplätze weggenommen, wenn motivierte Abiturienten zum Hausbau nach Costa Rica reisen. Ein lokaler Handwerker könnte mit der Arbeit seine Familie ernähren, er müsste nicht erst angelernt und angeleitet werden und es wäre nachhaltiger. Aber wieso sollte man Einheimische anstellen, wenn Westler sogar dafür bezahlen?
Besonders die Arbeit mit Kindern oder anderen verletzlichen Gruppen wird scharf kritisiert. "Unterrichte deine eigene Klasse, das ist auch ohne Vorkenntnisse ganz einfach!". So oder so ähnlich lauten die Versprechungen der Agenturen. Wäre eine unqualifizierte Lehrkraft, die nur einen Monat bleibt, in Deutschland je akzeptiert? Natürlich nicht. Warum ist das dann gut genug für namibische Kinder? Was die Schulen, Waisenhäuser und Naturschutzreservate wirklich brauchen ist Geld - und davon kommt oft nur ein kleiner Bruchteil bei der Organisation selbst an. Der Rest bleibt in der Agentur.
Vom Volunteering in Waisenhäusern wird besonders abgeraten. Die hohe Nachfrage nach Volontourismus dort hat zu einer Form von Kinderhandel geführt: Vor allem in Nepal und Kambodscha werden Kinder von ihren Familien getrennt und als elternlos ausgegeben. Laut einer Studie von Unicef haben in Kambodscha sogar drei viertel der vermeintlichen Waisen mindestens ein Elternteil und die Zahl der "Waisenhäuser" steigt.
Außerdem binden sich die Kinder emotional an die Volunteers und müssen sich Monat für Monat neu von einer Bezugsperson trennen. Das hinterlässt Spuren. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Regierung von besonders stark bereisten Ländern weniger Geld für Bildung ausgibt, da ja viele Aufgaben, wenn auch unzureichend, von den Freiwilligen übernommen werden.
Volunteering kann außerdem rassistische Vorurteile auf beiden Seiten verstärken. Unterbewusst festigt sich das Bild der Hierarchie, in der junge, weiße Held*innen ohne Sprachkenntnisse, spezifische Ausbildung und ohne viel Zeit die armen, hilfebedürftigen, schwarzen Menschen retten können. Auch in der Werbung der Veranstalter wird dieser Gedanke oft unterstützt. Die hilfeempfangenden Menschen werden in würdelosen Situationen gezeigt und vermitteln Passivität, sowie das sehnsüchtige Warten auf Hilfe.

Zwischen all den schlechten Veranstaltern gibt es natürlich auch solche, bei denen man wirklich ein bisschen helfen kann. Hier ein paar Merkmale, an denen ihr verantwortungsbewusste Agenturen erkennt:
Generell solltet ihr nicht in Waisenhäusern arbeiten, schon gar nicht ohne entsprechende Ausbildung oder nur für einen kurzen Zeitraum. Das Programm an dem ihr teilnehmt, sollte deutlich den Nutzen der Organisation aus der ganzen Sache in den Vordergrund stellen, nicht euren Spaß. Wenn Volontouring unter sechs Monaten angeboten wird, ist das ein schlechtes Zeichen. Der Veranstalter sollte euch genau überprüfen, und Qualifikationen für die jeweilige Arbeit verlangen, oder zumindest ein umfassendes Training verpflichtend anbieten. Die Werbung des Veranstalters sollte die Menschen vor Ort nicht in unwürdigen Situationen (weinend oder halbnackt) zeigen. Wichtig ist auch, wohin genau euer Geld fließt, das sollte transparent sein. Außerdem darf eure Arbeit keinen schlechten Einfluss auf den lokalen Arbeitsmarkt haben.
Wer profitiert denn nun von der Freiwilligenarbeit? In welchem Umfang das Modell hilft ist nicht klar da die Veranstalter keine genauen Zahlen nennen. Fest steht, dass sogar die Nachhaltigkeit der professionellen Entwicklungshilfe umstritten ist. Hauptsächlich profitieren hier also der Reiseveranstalter, der eine Menge Geld verdient - und der Volunteer, der das Gefühl hat, eine fremde Kultur kennen gelernt und etwas gutes getan zu haben. Bevor ihr so eine Reise bucht, solltet ihr euch also einige Gedanken machen. Für wen mache ich das? Was erwarte ich mir von der Reise? Kann ich wirklich helfen und ganz wichtig: wer profitiert von meinem Geld?
Wenn ihr zu dem Schluss kommt, dass ihr wirklich helfen könnt und wollt, solltet ihr über eine Reise nachdenken, die mindestens ein halben Jahr lang ist. Eine alternative wäre ehrenamtliches Engagement in Deutschland, oder wenn es doch nur Urlaub sein soll, eine Reise mit einheimischen Reiseleitern. Das Geld, was ihr für Volunteering ausgegeben hättet, könnt ihr auch in diesem Fall sinnvoll anlegen: Mit einer Spende an Hilfsorganisationen wie Unicef oder Pencils of Promise. Dieses unglaublich komplexe Thema lässt sich in einem einzigen Artikel längst nicht in allen Facetten beleuchten. Wenn ihr euch weiter informieren möchtet, gibt es viele hilfreiche Websites und Dokumentationen.
von Nina Geuer
Einen Monat lang auf Sri Lanka Schildkröten retten, für 2390€, oder doch lieber für 1800€ nepalesische Waisen pflegen? Scheinbar endlos sind die Möglichkeiten, eine Reise zu buchen auf der man Spaß hat, eine fremde Kultur kennen lernt und gleichzeitig so einiges für sein Karma tut. Klingt fast zu gut um wahr zu sein und das ist es in vielen Fällen leider auch. Warum ihr euch genau überlegen solltet, ob ein Abstecher in ein Dritte-welt-land sinnvoll ist, erfahrt ihr hier.
Das Problem: Die Reiseanbieter konzentrieren sich hauptsächlich auf die Wünsche und Bedürfnisse der Volunteers. Nicht auf die der Menschen vor Ort. Das führt dazu, dass die Lebenssituation der Einheimischen oft sogar verschlechtert wird. Zum Beispiel werden ihnen Arbeitsplätze weggenommen, wenn motivierte Abiturienten zum Hausbau nach Costa Rica reisen. Ein lokaler Handwerker könnte mit der Arbeit seine Familie ernähren, er müsste nicht erst angelernt und angeleitet werden und es wäre nachhaltiger. Aber wieso sollte man Einheimische anstellen, wenn Westler sogar dafür bezahlen?
Besonders die Arbeit mit Kindern oder anderen verletzlichen Gruppen wird scharf kritisiert. "Unterrichte deine eigene Klasse, das ist auch ohne Vorkenntnisse ganz einfach!". So oder so ähnlich lauten die Versprechungen der Agenturen. Wäre eine unqualifizierte Lehrkraft, die nur einen Monat bleibt, in Deutschland je akzeptiert? Natürlich nicht. Warum ist das dann gut genug für namibische Kinder? Was die Schulen, Waisenhäuser und Naturschutzreservate wirklich brauchen ist Geld - und davon kommt oft nur ein kleiner Bruchteil bei der Organisation selbst an. Der Rest bleibt in der Agentur.
Vom Volunteering in Waisenhäusern wird besonders abgeraten. Die hohe Nachfrage nach Volontourismus dort hat zu einer Form von Kinderhandel geführt: Vor allem in Nepal und Kambodscha werden Kinder von ihren Familien getrennt und als elternlos ausgegeben. Laut einer Studie von Unicef haben in Kambodscha sogar drei viertel der vermeintlichen Waisen mindestens ein Elternteil und die Zahl der "Waisenhäuser" steigt.
Außerdem binden sich die Kinder emotional an die Volunteers und müssen sich Monat für Monat neu von einer Bezugsperson trennen. Das hinterlässt Spuren. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Regierung von besonders stark bereisten Ländern weniger Geld für Bildung ausgibt, da ja viele Aufgaben, wenn auch unzureichend, von den Freiwilligen übernommen werden.
Volunteering kann außerdem rassistische Vorurteile auf beiden Seiten verstärken. Unterbewusst festigt sich das Bild der Hierarchie, in der junge, weiße Held*innen ohne Sprachkenntnisse, spezifische Ausbildung und ohne viel Zeit die armen, hilfebedürftigen, schwarzen Menschen retten können. Auch in der Werbung der Veranstalter wird dieser Gedanke oft unterstützt. Die hilfeempfangenden Menschen werden in würdelosen Situationen gezeigt und vermitteln Passivität, sowie das sehnsüchtige Warten auf Hilfe.

Zwischen all den schlechten Veranstaltern gibt es natürlich auch solche, bei denen man wirklich ein bisschen helfen kann. Hier ein paar Merkmale, an denen ihr verantwortungsbewusste Agenturen erkennt:
Generell solltet ihr nicht in Waisenhäusern arbeiten, schon gar nicht ohne entsprechende Ausbildung oder nur für einen kurzen Zeitraum. Das Programm an dem ihr teilnehmt, sollte deutlich den Nutzen der Organisation aus der ganzen Sache in den Vordergrund stellen, nicht euren Spaß. Wenn Volontouring unter sechs Monaten angeboten wird, ist das ein schlechtes Zeichen. Der Veranstalter sollte euch genau überprüfen, und Qualifikationen für die jeweilige Arbeit verlangen, oder zumindest ein umfassendes Training verpflichtend anbieten. Die Werbung des Veranstalters sollte die Menschen vor Ort nicht in unwürdigen Situationen (weinend oder halbnackt) zeigen. Wichtig ist auch, wohin genau euer Geld fließt, das sollte transparent sein. Außerdem darf eure Arbeit keinen schlechten Einfluss auf den lokalen Arbeitsmarkt haben.
Wer profitiert denn nun von der Freiwilligenarbeit? In welchem Umfang das Modell hilft ist nicht klar da die Veranstalter keine genauen Zahlen nennen. Fest steht, dass sogar die Nachhaltigkeit der professionellen Entwicklungshilfe umstritten ist. Hauptsächlich profitieren hier also der Reiseveranstalter, der eine Menge Geld verdient - und der Volunteer, der das Gefühl hat, eine fremde Kultur kennen gelernt und etwas gutes getan zu haben. Bevor ihr so eine Reise bucht, solltet ihr euch also einige Gedanken machen. Für wen mache ich das? Was erwarte ich mir von der Reise? Kann ich wirklich helfen und ganz wichtig: wer profitiert von meinem Geld?
Wenn ihr zu dem Schluss kommt, dass ihr wirklich helfen könnt und wollt, solltet ihr über eine Reise nachdenken, die mindestens ein halben Jahr lang ist. Eine alternative wäre ehrenamtliches Engagement in Deutschland, oder wenn es doch nur Urlaub sein soll, eine Reise mit einheimischen Reiseleitern. Das Geld, was ihr für Volunteering ausgegeben hättet, könnt ihr auch in diesem Fall sinnvoll anlegen: Mit einer Spende an Hilfsorganisationen wie Unicef oder Pencils of Promise. Dieses unglaublich komplexe Thema lässt sich in einem einzigen Artikel längst nicht in allen Facetten beleuchten. Wenn ihr euch weiter informieren möchtet, gibt es viele hilfreiche Websites und Dokumentationen.
von Nina Geuer