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Ach, Selfcare. Die Seele baumeln lassen und sich selbst etwas Gutes tun. Nach einer stressigen Woche oder einem stressigen Tag ist sicher jedem mal ein bisschen nach Zeit für sich. Aber was bedeutet Selfcare eigentlich? Und was braucht es heutzutage wirklich, um Selbstfürsorge zu betreiben?
Was bedeutet Selfcare?
Auf der Website der AOK heißt es „Selbstfürsorge hilft dabei, Stress leichter zu bewältigen und die Energie zu steigern.“ Und weiter „Wer gut für sich sorgt, stärkt auch sein Selbstbewusstsein. Denn er bekommt das Gefühl, sein Leben im Griff zu haben.“
Klingt ziemlich vielversprechend. Die Psychologinnen Christina Dahl und Gabriele Dlugosch stellen fest „Selbstfürsorge heißt, sich selbst wertschätzend zu begegnen, das eigene Befinden und die eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen und aktiv zum eigenen Wohlbefinden beizutragen.“ Sie sind am Zentrum für Empirische Pädagogische Forschung tätig und arbeiten dort an der Konzeption des Seminars „Besser leben!-Selbstfürsorge für psychosoziale Fachkräfte“ mit. Es wird deutlich, dass Selfcare (zu Deutsch Selbstfürsorge) einerseits eine bestimmte Haltung sich selbst gegenüber ist und zum anderen mit aktiven Handlungen einhergeht. Ziel dabei ist es, das eigene Wohlbefinden körperlich und mental sicherzustellen.
So weit, so gut. Aber wieso erobern Selfcare Videos gerade die Sozialen Medien?
Selbstfürsorge in den Sozialen Medien
Schaut man sich auf TikTok und Instagram um, könnte man meinen: eine Menge Geld. Denn Selfcare ist nicht mehr Selfcare, ohne mehrere hochpreisige Badezusätze, Duftkerzen und einen Stanley-Becher, aus dem man sein eisgekühltes Wellness-Getränk trinkt. So oder so ähnlich suggerieren uns das derzeit Videos, die das Thema Selfcare aufgreifen und dabei mehrere Produkte präsentieren. Moment, Produktplatzierung? Ist das nicht eigentlich Werbung?
Wie Hannah Alonzo, in einem ihrer Yotutube-Videso diese kurzen Videos kommentiert kostet ein Selicare-Abend in der Badewanne mit den von der Influencerin gezeigten Produkten 925 Euro. Dabei schließt sie auf den Drang zum Überkonsum und überproportionalen Konsumverhalten. Videos wie das genannte vermitteln den Followern, dass es bestimmte Produkte und Hilfsmittel braucht, um echte Selbstfürsorge zu betreiben. Wie Hannah Alonzo in ihrem Video feststellt „This is a matter of flashing one after another […] to communicate the message – even subliminally – that these are the items you need to have, to live a better life, or to take care of yourself.“
Alonzo stellt klar, dass sie solchen Content ebenfalls gerne konsumiert, sich aber bewusst ist, dass nicht Jeder einen solchen Lebensstil führen kann. Content Creator verdienen das meiste Geld durch das Bewerben von Produkten. So weit, so in Ordnung. In Deutschland gilt für solche Inhalte eine Kennzeichnungspflicht. Das Zeigen der eigenen Routine ist per se keine Werbung, solange keine Produkte gezeigt werden. Werden diese jedoch im Rahmen von Selfcare-Routine Videos gezeigt, gilt es auch diese als Werbung zu kennzeichnen.
Rechtliche Situation in den USA
In den USA hingegen greift der „Guide der Federal Trade Commission” (FTC) gegründet 1914, der zum Ziel hat, unfaire Konkurrenzmethoden in der Geschäftswelt zu bekämpfen. Die FTC ist eine amerikanische Kartellbehörde, die unter Anderem für die Einhaltung des Wettbewerbsrechts zuständig ist. Die Richtlinie enthält ebenfalls klare Vorschriften dazu, welche Inhalte als Werbung gekennzeichnet werden müssen. Oftmals finden sich diese Kennzeichnungen jedoch ausschließlich in der Videobeschreibung. Allgemeine Kritik ist jedoch, dass dem Konsumenten nicht zwangsläufig klar ist, dass es sich um eine reine Produktplatzierung handelt, da hier jemand vermeintliche Einblicke in sein Privatleben gewährt.
Problematisch sei nach Content Creatorin Alonzo auch, dass diese Werbung viel unbewusster zum Konsum anrege. Hier sehe man vermeintlich „normale“ Menschen, die ihre tägliche Routinen zeigen – keine perfekt ausgeleuchteten Testimonials wie in der traditionellen Konzernwerbungen, was zu einem familiäreren, vertrauensvolleren Verhältnis zwischen Zuschauer und Werbeträger führt, was sich auf die Kaufentscheidung auswirken kann.
Kuriose Selfcare-Trends
Apropos USA: hier etabliert sich gerade ein ganz besonderer Selfcare Trend. Lüften ist diesen Herbst schwer angesagt. Falls du glaubst, dich verlesen zu haben: nein, es geht um das in Deutschland gängige zeitweise öffnen der Fenster, um frische Luft reinzulassen. Was hierzulande total normal ist, wird in den USA gerade als bahnbrechend gefeiert.
In den USA ist es sehr unüblich, die Fenster zu öffnen, um das Innenklima zu verbessern. Gründe hierfür sind unter anderem das Klima in den unterschiedlichen Regionen sowie der verbreitete Einsatz von Klimaanlagen.
Die deutsch-amerikanische TikTokerin Lucie Rauschnabel erklärt zudem in einem ihrer Videos, dass Lüften helfe die Atemwege zu befreien, die Stimmung zu verbessern und angeblich die Verdauung anrege.
Selbstfürsorge: eigentlich kostenlos
Durch die Videos, die aktuell auf den Sozialen Medien kursieren, könnte man meinen, für Selfcare aka Selbstfürsorge brauche man zwei Dinge: Zeit und relativ viel Geld. Jedoch beschreibt der Begriff Selfcare nichts anderes, als dass das eigene Wohlbefinden höchste Priorität hat. In der Psychologie bedeutet es schlicht, sich für die Dinge Zeit zu nehmen, die uns dabei helfen, gut zu leben und unsere körperliche sowie geistige Gesundheit zu verbessern. Diese Form der Selbstfürsorge muss nicht zwangsläufig mit Kosten einhergehen.
Andere Formen von Selfcare
Selbstfürsorge kann demnach auch bedeuten, seine Rechnungen rechtzeitig zu zahlen, es sich in den eigenen vier Wänden wieder schön zu machen oder sich ganz bewusst Zeit mit Freunden zu nehmen – weil man weiß, dass es dabei hilft, gesund zu bleiben. Weil jedem von uns andere Dinge guttun, kann es sich ebenso um eine Yogaeinheit, eine Tanzeinlage oder eine halbe Stunde mit einem guten Buch handeln. All diese Dinge, mit denen wir aktive Selbstfürsorge betreiben, kosten keinen Cent und sind dabei doch wertvoll. Natürlich kann man sich zusätzlich eine Kerze anzünden oder eine Gesichtsmaske auftragen. Allerdings wäre es schade, wenn Selbstfürsorge in Zukunft eine Metapher für Konsum werden würde. Selbstfürsorge ist so facettenreich, wie die Menschen, die sie betreiben. Das bedeutet nicht, dass Selfcare-Videos per se etwas Schlechtes sind. Vielleicht sind sie ein hilfreicher Reminder, sich selbst mal wieder etwas Gutes zu tun.