WieL unterwegs. Heute in: der Toskana
27. August 2021WieL unterwegs. Heute in: Quer durch Deutschland
10. September 2021WieL unterwegs. Heute auf: Borkum
Moin von der Insel! Heute geht es mit unserer Kolumne „WieL unterwegs“ weiter in den hohen Norden – genauer gesagt nach Borkum, auf die größte ostfriesische Insel im niedersächsischen Wattenmeer. Strandurlaub und Faulenzen denkt ihr? Weit gefehlt!!
Einsatzbereit, Gurtretter und Funke in der Hand, stets die Augen auf’s Wasser – das trifft es schon eher!
Aktuelle Statusmeldung:
Lufttemperatur: 18,7 Grad °C (gefühlt wie 14,3 °C) , Wassertemperatur: 17 °C, Hochwasser: 13:47 Uhr, Wind: 4bft aus NordNordWest, Wetter: ein paar Wolken und Sonnenschein
Baywatch auf Borkum
Die letzten zwei Wochen habe ich meinen jährlichen Wachdienst vom Zentralen Wasserrettungsdienst Küste (ZWRD-K) auf Borkum verbracht. Borkum – auch bekannt als „Insel meiner Träume“ (Aufklärung weiter unten) – ist die größte Wachstation im ZWRDK der DLRG an der deutschen Nordseeküste. Im Zeitraum von Mai bis Oktober sorgen hier ehrenamtliche Rettungsschwimmer:innen aus ganz Deutschland für die Sicherheit der Badegäste an den Stränden Nordbad (Nord I und Nord II), Südbad und FKK. Die Wachmannschaft besteht in der Hauptsaison in der Regel aus ungefähr 20 hochmotivierten Wachgänger:innen.
Aber was genau kann man sich unter einem Wasserrettungsdienst an der Nordseeküste vorstellen? Gibt es Ähnlichkeiten zum amerikanischen Baywatch-Klischee? Wie läuft ein regulärer Wachtag ab?
Ich nehme euch heute mit in die täglichen Routinen und Abläufe an den Borkumer Stränden. Mit im Gepäck, eine ordentliche Portion salzige Nordseebrise, Einsatzkleidung und ein Hauch von Sanddorn und Meeresrauschen… Startklar?
Vom Kutzenschubsen bis zum Badezeiten-Lied
08:00 Uhr – der Wecker klingelt. Nun heißt es, schnell aufstehen, Zähne putzen, anziehen und ab auf’s Rad Brötchen für die Wachmannschaft auf Station holen. Auf dem Rückweg noch schnell den tagesaktuellen Wetterbericht einsammeln, dann geht es zurück zur Unterkunft.
Die Ersten sitzen bereits im Aufenthaltsraum mit einer heißen Tasse Kaffee in der Hand – natürlich bereits in rot-gelber Einsatzkleidung, versteht sich. Nach und nach trudeln auch die Anderen ein. Nach einer kurzen Tagesbesprechung und noch dem ein oder anderen Gähnen heißt es ziemlich schnell – wach werden und „Abfahrt“! Der Dienst beginnt!
09:00 Uhr – Auf’s Rad geschwungen geht’s also gegen die steife Nordseebrise los in Richtung Wachstation am Strand. Dort angekommen, beginnt zunächst die morgendliche Routine. Der Wetterbericht muss an die umliegenden Milchbuden und Strandkorbbesitzer:innen verteilt, die Laufdielen vor der Station vom Sand freigeschaufelt und die Station für den Wachdienst vorbereitet werden. Alle Rettungsgeräte werden startklar gemacht. Motorboot (IRB), Rettungsbrett (eine etwas größere Version eines Surfbrettes) und Rettungskajak werden an der Wasserkante positioniert. Auch die Kutze – das rote Gefährt auf dem Bild – muss in Richtung Wasser „geschubst“ werden. Ihr glaubt gar nicht, wie schwer das bei weichem Sand sein kann. Erst wenn alle Aufgaben erledigt sind, gibt es Frühstück mit der Wachmannschaft. Natürlich mit Meerblick ;D
10:00 Uhr – Pünktlich um 10 Uhr (zumindest am Nordbad und FFK-Strand, das Südbad startet um 10:30 Uhr) wird die DLRG-Flagge gehisst, die den Badegästen den offiziellen Beginn der Badezeit signalisiert. Außerdem werden die Beachflaggs – die Flaggen für die Badezonenbegrenzung – aufgestellt und ganz wichtig: das Borkumer-Badezeitenlied „Die Insel meiner Träume“ von den Ostfriesischen Jungs gespielt. Hier ein kleiner Ausschnitt…
“ […] Die Insel meiner Träume ist Borkum ganz allein,
eine Nordseeinsel ja auch dort gibt’s Sonnenschein
und beim Klang von Meeresrauschen vergess‘ ich Raum und Zeit
und ich spür einen Hauch von Unendlichkeit“
„Die Insel meiner Träume“ von den Ostfriesischen Jungs
Mit diesem Ohrwurm im Kopf heißt es nun den restlichen Tag über: Augen auf’s Wasser! Sobald sich die ersten Badegäste in die zum Teil doch noch sehr frischen Fluten stürzen, stehen wir – gerüstet mit Gurtretter, Funke und Fernglas – an der Wasserkante oder auf der Kutze. Oben auf Station kümmern wir uns regelmäßig um kleinere und größere Erste Hilfe Fälle. Dort haben wir eine professionelle Erste-Hilfe-Ausstattung, sowie einen voll ausgestatteten Sanitätsrucksack inklusive Defibrillator (AED). Neben kleineren Schürfwunden, Kratzern oder Splittern sind gelegentlich auch schwerere Verletzungen oder Krankheitsbilder dabei, die wir Erst-Versorgen bevor der örtliche Rettungsdienst eintrifft. Auch regelmäßige Kinder- oder Elternsuchen halten uns den Tag über auf Trapp.
Nicht zu vergessen ist natürlich die eigene sportliche Fitness und das Austesten der Strömungs- und Wasserbedingungen. Nahezu täglich absolvieren wir unser Schwimmtraining und üben mit unseren Rettungsgeräten auf dem Wasser. Ab und an gehört auch eine Kontroll- oder Übungsfahrt mit dem Motorboot zur Tagesordnung, um im Ernstfall schnell eingreifen zu können.
Tagesaktuelle Statusmeldung
Damit die restliche ZWRDK-Welt außerhalb der Insel auch etwas zu Lachen hat, werden täglich auf’s Neue auch die kommunikativen Fähigkeiten gefordert.
62 Seehunde und Kegelrobben zurzeit auf der Seehundbank. Am Nordbad ist heute neben der Schlammkur mit dem Heilschlick auch ein Peeling mit feinstem Saharasand möglich! Die Krabbenfütterung findet heute um 12 Uhr am Südbad statt. Quallenfischen mit Spongebob heute am FKK um 14 Uhr!
Wachmannschaft Nord II – 27.08.2021
… 17:30 Uhr – Wie ihr seht, wird es sicherlich nicht langweilig auf Station! Ab halb sechs heißt es – abhängig vom Badebetrieb – wieder Badezeiten-Lied an, Flagge runter, Beachflaggs und Rettungsgeräte einholen und abrödeln. Nach einer kurzen Nachbesprechung des Tages geht es nun ab 18 Uhr wieder zurück zur Unterkunft. Nun wartet bei einem entspannten Feierabend-Flens das abendliche Freizeitprogramm. Von gemeinsamen Koch- und Spielabenden, bis hin zu Fahrradtouren über die Insel, Leuchtturmbesichtigungen oder Übungsabenden mit anschließendem Grillen auf Station am Strand ist immer für jeden etwas dabei.
Vielleicht habt ihr nun auch Lust bekommen, auf Baywatch der deutschen Art? Es ist und bleibt jedes Jahr auf’s Neue eine tolle Erfahrung mit viel Spaß, Action und Teamwork!
Eins sei jedoch noch gesagt. Auch wenn der Tagesablauf recht entspannt klingt, täuscht der erste Eindruck. Auch in den zwei Wochen, in denen ich vor Ort war, mussten wir einige Badegäste aus dem Wasser retten. Die Strömungen, die Gezeiten, Wind und Welle sind nie zu unterschätzen. Was im Ernstfall zählt, ist eine gute Kommunikation, schnelles Handeln und gutes Teamwork!
Also gebt Acht auf euch am Strand und schwimmt nicht soweit ‚raus!
Windige Nordseegrüße von dem schönsten Sandhaufen der Erde
Lisa