Der Preis, eine Frau zu sein – Menstruation und Periodenarmut

Die Hälfte der Weltbevölkerung sind Frauen. Etwa die Hälfte der in Deutschland lebenden Menschen sind Frauen. Auch unter Studierenden sind inzwischen über die Hälfte weiblich. In unserem Studiengang Kommunikationsmanagement liegt der Frauenanteil sogar bei 76,4 %.

Die Menstruation, die schließlich die Hälfte der Bevölkerung betrifft, sollte also nicht unwichtig sein. Doch ein fast frischer Artikel des deutschen Ärzteblatts (vom 15.05.2025) betont, dass die Menstruation immer noch ein Tabuthema ist, über das zu wenig gesprochen wird.

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Das Tabuthema: Menstruation

Von der Health Gender Gap und Gender Data Gap wollen wir an dieser Stelle nicht sprechen, diese beeinflussen allerdings massiv die Tabuisierung. Etwas was nicht erforscht wird, darüber wird auch nicht öffentlich gesprochen – und das betrifft leider oft die Frauengesundheit. (Im Folgenden wird von Frauen und menstruierenden Personen gesprochen, es sind alle Gender damit gemeint.)

Das allgemeine Unverständnis und die Empörung Frauengesundheit öffentlich zu thematisieren fand in den letzten Jahr stellvertretend in den Debatten um „Menstruationsurlaub“ bzw. „Period Leave“ statt. Als Spanien 2023 dies sogar gesetzlich verankerte, waren die Kritiker nicht weit (ja in diesem Fall Männer), wenngleich sich der Period Leave in Produktivitätsstatistiken bestätigt. 

Für Frauen unumgänglich, für Männer Luxus?

Bis 2020 wurden Binden und Tampons mit der 19 % Luxusbesteuerung behandelt. Die ab 2020 eingeführten 7 % sollten eine finanzielle Entlastung bringen, die nach einer ifo-Studie doch nicht eintrat. Der Clou: Slip-Einlagen fielen nicht darunter und wurden einfach zeitgleich preislich erhöht. 

Wer die Periode an sich nicht öffentlich thematisiert, kommt auch nicht zu dem darunterliegenden und gravierenden Thema der Periodenarmut bzw. Period Poverty.  Denn wer monatlich blutet – und das können sich Frauen nicht freiwillig aussuchen – braucht Periodenprodukte. Zwar fällt die Luxussteuer inzwischen weg, aber teuer ist das Leben mit der Periode dennoch. 

Mit dem passenden Untertitel: „The Alarming Truth About How Much Periods Cost Women In A Lifetime“ hat die Huffingtonpost ausgerechnet, dass Frauen in ihrem Leben £18.000 (entspricht 23.976 US-Dollar) für alle Kosten rund im ihre Periode zahlen.  In einer Plan International-Befragung (von 2022) gaben 23 % an, dass sie durch die monatlichen Ausgaben für ihre Periode belastet sind. Dieses „Luxusleben“ wird im Bürgergeld übrigens mit sportlichen 21,48 € (für die Gesundheitspflege) berücksichtigt – unabhängig vom Geschlecht.

Ein Blick auf die Welt

Periodically definiert Period Poverty folgendermaßen: 

„Periodenarmut bezeichnet die fehlende finanzielle Möglichkeit, grundlegende Hygieneprodukte wie Tampons, Binden oder Menstruationstassen zu kaufen. Betroffene können sich nicht ausreichend mit diesen Artikeln versorgen und müssen oft auf unsichere Alternativen wie Toilettenpapier oder Stoffreste zurückgreifen.“

Dabei ist Periodenarmut ein gesundheitliches, soziales, gesellschaftliches und kulturelles Problem, dass sich auf verschiedene Lebensbereiche auswirkt. Mädchen und Frauen bleiben der Schule oder Arbeit fern und ihre Bildungs- und Teilhabechancen verringern sich. Unhygienische Alternativen erhöhen Risiken für Infektionen, häufig in Ländern in denen die medizinische Versorgung schon erschwert ist. Die Stigmatisierung der Menstruation führt zu einer psychischen Belastung, die fehlende Offenheit verhindert den Austausch und den Rückhalt anderer Frauen. 

Sich Periodenprodukte nicht leisten zu können ist allerdings nochmal ein anderes Problem als überhaupt keinen Zugang zu den Produkten zu haben. Beispielsweise haben in Indien 70 % der Frauen keinen Zugang zu Periodenprodukten. Es kommt schlimmer: 20 % der indischen Mädchen brechen mit der ersten Periode ihre Schullaufbahn ab. Der Konzern Procter & Gamble (alias ob und Always) verkauft seine Produkte in Indien unter den Namen Whisper und fast zum gleichen Preis wie in Deutschland. Die Mädchen nutzen daher Stofffetzen, Kuhdung, Federn oder Bananenbätter – nicht das beste für die (Frauen-)Gesundheit. 

Ein Blick auf Brasilien: hier entlang

Ein Blick auf Afrika: hier entlang.

Ein Blick auf Europa – nicht so fortschrittlich wie man meinen könnte

Aber in Europa kann es doch nicht so schlimm sein, oder?

Die Studie „Code Red“ der Kampagne #MenstrualMatterEU von einer Koalition aus europäischen Parteien und Organisationen zeigte, dass 42 % der 112 Millionen menstruierenden Menschen in Europa Periodenarmut im letzten Jahr erlebt haben (2024). Es ist somit ein weit größeres Problem als bisher angenommen wurde. 

In Europa haben wir andere wirtschaftliche und kulturelle Verhältnisse als in Indien, aber die Stigmatisierung und die eingeschränkte Teilhabe findet sich hier genauso. Die Hälfte der Europäer betrachten die Menstruation immer noch als Tabuthema. Über die Hälfte der Menstruierenden verpassen Bereiche ihres Alltags aufgrund ihrer  menstruellen Beschwerden. Neighborhoodfeminists betonen, dass Periodenarmut kein Nischenthema ist. 

Auch der EPRS (European Parliamentary Research Service) schreibt in ihrem Briefing „Addressing menstrual poverty in the EU“, dass Menschen mit geringem Einkommen, Geflüchtete, junge Menschen, Wohnungslose und Menschen mit Behinderungen besonders stark betroffen sind. Die Covid-19-Pandemie hat auf europäischer Ebene nicht nur die finanziellen Hürden gestärkt, auch die unterbrochenen Lieferketten haben die Periodenarmut stärker beeinflusst. Das Europäische Parlament erkennt Periodenarmut als „Gender equality issue“ und verlangt einen breiten Zugang zu freien Periodenprodukten. 

Ein europäisches Beispiel für die Periodenarmut ist z. B. eine obdachlose junge Frau in einem Wiener Obdachlosenheim. Eine österreichische Hilfsorganisation berichtet, dass die Frau eine alte Socke anstatt einer Binde nutzte. Sie traute sich nicht nach Produkten zu fragen  (Quelle: Erdbeerwoche.com). Der Umstieg auf unhygienische Alternativen ist also nicht nur den Mädchen und Frauen in Entwicklungsländern vorenthalten.


Die EU hat Ideen, die EU-Länder ziehen nur teilweise mit

Eigentlich ist es nicht die EU selbst gewesen, die die Idee hatte. Es waren 3.000 Menschen und ihre Unterschriften zur Abschaffung der Tamponsteuer und David Cameron im Jahr 2016, der das Thema in der EU einbrachte. Die EU-Kommission hat seitdem allen europäischen Ländern die Möglichkeit gegeben, die Mehrwertsteuer auf Hygieneprodukte auf 0 zu senken. Damit das verpflichtend wird, müssten die Länder dafür stimmen. (Quelle: Erdbeerwoche.com)

Wie gut hat das funktioniert? 

Schottland hat 2022 den Period Product Act veröffentlicht und als erstes Land der Welt die Bereitstellung gesetzlich festgelegt. Allerdings wurde schon seit 2017 ordentlich in die Versorgung an Schulen und öffentlichen Einrichtungen investiert.  

In Irland werden nicht nur keine Periodenprodukte mehr besteuert, alle Hygieneprodukte sind mit 0 % besteuert. Irlands Organisationen versuchen sich nun gegen die Pink Tax einzusetzen, was weitere Geschlechterungleichheit spiegelt. 

Der feministische Vorreiter Spanien hat 2023 ihre Mehrwertsteuer von 10 auf 4 % gesenkt.

Schlusslicht der Betrachtung ist Italien mit 22 %, Österreich mit 10 % und Deutschland mit 7 %.

Österreich muss man zu Gute halten, dass 2026 die Reduktion auf 0 % umsetzt. 

Italien hat hingegen eine aufregende Achterbahnfahrt hinter sich von 10 auf 5 % gesenkt, um dann wieder auf 22 % zu erhöhen. 

Deutschland 2020 nach einer Petition mit 50.000 Unterschriften mitgezogen und hat die Mehrwertsteuer auf 7 % gesenkt.

(Bildquelle: Erdbeerwoche.com)

Ein Blick auf deutsche Universitäten und Hochschulen

In vielen deutschen Universitäten und Hochschulen sind Pilotprojekte gestartet worden, die durchweg positive Ergebnisse brachte und fortgeführt wurden. 

Als Unis möchte ich hier nennen: Uni Bonn, Uni Hamburg, Uni Köln, Uni Marburg, Uni Stuttgart, Uni Halle

Häufig waren studentische Gremien wie Asta, Parlamente oä. an der Initiierung und Umsetzung der Projekte beteiligt. Die Uni Marburg erklärt dazu:

„Das ‚Projekt PERIOD.‚ begann 2022 und geht zurück auf eine Initiative des AStA-Referats Geschlechterpolitik mit Unterstützung des Student*innenparlaments. Im Februar 2022 wurde es gemeinsam mit der Vizepräsidentin für Chancengleichheit und Karriereentwicklung und den Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten zunächst als Pilotprojekt ins Leben gerufen. Als eine der ersten Hochschulen Deutschlands, hat die Philipps-Universität das Angebot nun verdauert.“

Ein Ausblick auf die Zukunft – Periodenarmut bekämpfen lokal und global

Es gibt alltägliche einfache Maßnahmen, die du heute umsetzen kannst:

  • eine Studie aus 2016 von HelloClou fand in einer internationalen Umfrage 5.000 Begriffe für die Periode, die als Euphemismen genutzt werden (beschönigende, verhüllende, mildernde Umschreibung). Also: Nenne die Periode beim Namen und reduzier die Scham.
  • Sprich über deine Erfahrungen und Ängste, dadurch wird Wissen und Aufmerksamkeit geschaffen.
  • Teile die Erkenntnisse dieses Beitrags mit deinem Umfeld. 
  • Reflektiere deinen eigenen Umgang mit dem Thema Periode. 
  • Unterstütze Organisationen, die sich gegen Periodenarmut einsetzt, Forschung vorantreibt und Betroffenenerfahrungen sichtbar machen. Unterschreibe und teile Petitionen – man sieht an den bisherigen Entwicklungen, dass deine Stimme zählt. Gehe auf Demos oder teile Informationen zum Welt-Menstruationstag. Fülle Umfragen aus.
  • Wenn du kannst, spende an Hilfsorganisationen, die Periodenprodukte an Hilfsbedürftige verteilen. 
  • Mache dein Lieblingscafé/-restaurant auf die Aktion „Another period is possible“ aufmerksam – siehe unten. 
  • Informiere dich über deine Marke: Setzt sich die Firma für Frauengesundheit ein oder stehen Gewinne im Vordergrund? 

Was können Gemeinden, Städte, öffentliche Einrichtungen und die Politik gegen Periodenarmut tun? 

In der Stadtplanung sollten die Bedürfnisse menstruierender Menschen stärker einbezogen werden. Alleine normale öffentliche und saubere Toiletten sind ein Mangel und schränken die Teilhabe für Menstruierende, Menschen mit Blasenschwäche und Menschen mit Einschränkung ein. 

Außerdem sollten Cafés, Restaurants und andere öffentlich zugängliche Orte für Periodenarmut und der Notwendigkeit zugänglicher Sanitäranlagen sensibilisiert werden. Die Kampagne „Another Period is possible“ von Plan International schlägt dafür ein Zeichen zum Aufkleben vor, damit man von außen sieht, dass es eine periodenfreundliche Toilette gibt. 

Schlussendlich kann die Politik einiges tun, um die Scham und die strukturelle Benachteiligung rund um die Periode anzugehen. Periodenarmut ist gesellschaftliches Problem und braucht eine ganzheitliche Lösung mit einer gesellschaftlichen Verantwortung. 

Am 28.05.2026 ist Weltmenstruationstag bzw.  Menstrual-Health-Day, der auf die Missstände aufmerksam macht und Themen öffentlich platziert. 

Ein weiteres Thema zum Stöbern: Wie bewirbt man etwas, das so als Tabu behandelt wird?

 „Bettina Schmitz, Journalistin“ wollte Anfang der 1990er-Jahre mit uns über „das Tabu der Menstruation“ sprechen und redete dann doch nur über die Tamponmarke o.b.: „Man sieht nichts, man riecht nichts, und außen bleibt alles angenehm sauber“, pries Schmitz das Produkt an.

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