Mindful Leadership – Selbstführung als Schlüssel zur Veränderung


Minireihe zum Thema Mentale Gesundheit


John Lennon (1940 – 1980), britischer Musiker und Komponist

Imagine – so wie das erste Wort im gleichnamigen Lied von John Lennon – möchte ich euch gerne dazu einladen, nun die Augen zu schließen und meinen Worten mit eurer Vorstellungskraft zu folgen. Farben steigen vor eurem inneren Auge auf. Welche das sind, müsst ihr nicht benennen – sie sind einfach da und können sich verändern. Vielleicht seht ihr ein Gelb, sinnbildlich für die Freude, die ihr gerade empfindet oder Blau, weil ihr heute schon eine Klausur geschrieben und diese mit einem Gefühl des Erfolgs abgegeben habt. Wenn ihr möchtet, könnt ihr die Augen wieder öffnen. Danke für euer Vertrauen.

Wie kann man solche Momente der Ruhe und Achtsamkeit in den oft hektischen Studienalltag integrieren? Genau das ist die Frage, die das Modul Mindful Leadership an der Hochschule Osnabrück aufgreift. Es bietet Studierenden nicht nur eine Pause vom täglichen Stress, sondern auch Werkzeuge, um mit Herausforderungen bewusster umgehen und somit ihre Resilienz stärken zu können. Mindful Leadership wurde als Teil des Hochschulangebots von einem Team aus Lehrenden und Mitarbeitenden entwickelt. Am Campus Lingen wird das Seminar von Benjamin Häring geleitet, einem Hochschuldozenten mit langjähriger Erfahrung im Improvisationstheater. Seine Vorgehensweise verbindet Achtsamkeitstechniken mit kreativen Methoden, die dazu anregen sollen, sich selbst besser kennenzulernen sowie Herausforderungen durch Stress oder persönliche Unsicherheiten mit neuen Ansätzen zu begegnen.

In drei aufeinanderfolgenden Artikeln der Minireihe zum Thema Mentale Gesundheit erfahrt ihr nicht nur, worum es bei Mindful Leadership geht, sondern auch, warum dieses Modul so viel mehr ist als eine reine Entspannungsübung. Teil 1.

Szenario

Ich sitze angestrengt an meinem Laptop, starre auf den großen Bildschirm vor mir und es passiert: NICHTS. Stattdessen setzt mich das helle Weiß des Bildschirms nur unter Druck. Wie ein schwarzes Loch scheint es alles in sich aufnehmen zu wollen, was mir in dieser Situation als nützlich erscheint, so z. B. meine Konzentration, die ist nämlich nicht vorhanden. Dabei läuft nebenbei schon das „4 Hours of Music For Studying, Concentration And Work – Ambient Study Music to Concentrate“ Video auf YouTube, offensichtlich aber ohne Erfolg.

Krankenwagen und Polizei sind auch mal wieder unterwegs. Luft wäre schön, aber dann höre ich nur die vorbeifahrenden Autos vor meiner Wohnung. Köln halt … Wo ist eigentlich mein Handy? Es ist erstaunlich, wie oft ich schaue, ob es etwas Neues gibt, schon in dem Wissen, doch nur enttäuscht zu werden. Trotzdem gebe ich meinem inneren Drang nach, da ich schlichtweg nicht mehr anders kann.
Dank Herrn Skinner und seinen Beobachtungen zur positiven Verstärkung weiß ich zumindest, warum ich das tue.

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zum Psychologen Burrhus Frederic Skinner, Vater des „programmierten Lernens“


Der Psychologe Skinner zeigte in Tierversuchen, wie gewünschte Verhaltensweisen durch Konditionierung erlernt werden können. Als Vertreter eines radikalen Behaviorismus sah er keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen Menschen und Tieren. Der Behaviorismus (engl. behaviorism, von engl. behavior = Verhalten) erklärt das Verhalten von Menschen und Tieren ausschließlich mit naturwissenschaftlichen Methoden. Dabei beschränken sich Behavioristen auf von außen objektiv beobachtbares Verhalten, das als Reaktion auf äußere Reize erfolgt und lehnen Methoden wie die Introspektion ab.

Quelle:
https://www.deutschlandfunk.de/der-psychologe-burrhus-frederic-skinner-vater-des-100.html,
https://studyflix.de/biologie/behaviorismus-2586

Andere Frage: Warum habe ich noch keine Antwort auf meine Bewerbung für eine Praktikumsstelle erhalten? Die Gedanken kreisen wie so häufig und ich mit ihnen. Schon längst hat die innere Unruhe auch meinen Körper unter Kontrolle.

Aus diesem Grund habe ich mich für das Seminar „Mindful Leadership“ bei Benjamin Häring angemeldet. So konnte es nicht mehr weitergehen – so, wie das neue Semester bereits gestartet hat.

„Mindful Leadership“ – achtsame Selbstführung klingt gut, klingt machbar, klingt nach einem Plan. Damit geht auch einher, dass ich mich öffnen muss, puh! Sich zu offenbaren bedeutet auch immer, sich mit sich selbst auseinandersetzen zu müssen. Ich schaffe es gerade noch nicht mal mit meinen eigenen Gedanken allein zu sein. Wie soll das also funktionieren? Aber Veränderung schafft Linderung und Achtsamkeit bzw. positive Psychologie kann mir auf diesem Weg eine helfende Hand sein. Nun bin ich dazu angehalten, mich montags von 18:00 – 20:30 Uhr im NOZ Medienhaus mit mir selbst zu beschäftigen.

 Ich bin motiviert!

Interview

Was versteht man unter Mindful Leadership und wie wird es im Seminar vermittelt?

Benjamin Häring: Im Grunde ist es eigentlich Mindful Self Leadership – es geht um Selbstführung im Studium, Alltag und im Beruf. Es geht darum, dass die Studierenden einen tiefergehenden Einblick in den aktuellen Forschungsstand zu Achtsamkeit, Selbstführung und Wohlbefinden, also auch der Positiven Psychologie, bekommen. Es geht darum, dass man das lernen und trainieren kann, z. B. Praktiken der Achtsamkeit sowie auch den achtsamen Austausch mit anderen, mit den Studierenden, die auch mit im Kurs sind. Wie kann achtsame Selbstführung im Studium, Alltag und im Beruf reflektiert angewendet und auch bewertet werden?

Seminareinblick

Das Ziel des Seminars liegt darin, achtsame Selbstführung reflektiert im Alltag und Beruf einzusetzen, während die Studierenden aktiv an ihrer Persönlichkeitsentwicklung arbeiten. Diese Idee spiegelt sich auch im Ursprung des Seminars „Mindful Leadership“ wider, das auf Initiative des ehemaligen Präsidenten Prof. Dr. Andreas Bertram ins Leben gerufen wurde, der die Bedeutung achtsamer Führung erkannt hatte und diese gezielt fördern wollte. Christiane Leiste nahm sich dem Ziel an, Achtsamkeitstechniken und achtsame Führung in die Lehre sowie in Angebote für Lehrende zu integrieren. Dies umfasste u. a. einen Vortrag des ehemaligen Glücksministers aus Bhutan Ha Vinh Tho. Daraus entstand der Wunsch ein entsprechendes Angebot für Studierende zu schaffen.
Unterstützt durch ein Forschungsprojekt, wurde das Modul weiterentwickelt und mit Hilfe des Instituts für Management und Technik als Wahlangebot in mehreren Studiengängen integriert. Es wird jährlich im Sommersemester als Wahlseminar über das Burgtheater in Lingen angeboten.

Info-Kasten

zu Ha Vinh Tho


Vor 20 Jahren führte die kleine Himalaya-Nation Bhutan offiziell einen Glücks-Index ein, der das Bruttoinlandsprodukt als Maßstab ablöste. Inzwischen hat sich das Glück zu Bhutans bedeutendstem Exportgut entwickelt. Ha Vinh Tho sollte als Leiter des Gross National Happiness Centers im Auftrag des Königs sicherstellen, dass das Glück der Bevölkerung korrekt erfasst wird. Gemeinsam mit seinen Mitarbeitenden reiste er regelmäßig durch das zerklüftete Land und befragte die Menschen mithilfe eines ausführlichen Fragenkatalogs.

Quelle:
https://www.spiegel.de/start/bhutan-gluecksminister-ha-vinh-tho-brauchen-wir-mehr-gehalt-oder-mehr-yoga-bei-der-arbeit-a-00000000-0003-0001-0000-000002190420

Szenario

Aber was bedeutet „achtsam sein“ überhaupt und was bedeutet es für mich persönlich? Es verschafft mir Raum. Ich bin nicht gezwungen, sofort zu reagieren und aus Emotionalität bzw. Verletztheit heraus unüberlegt meine Grenzen oder die anderer einzureißen. Das Gleiche gilt für Situationen in denen, ich mich dazu verpflichtet fühle, etwas zu tun, insbesondere, wenn ich vorher nicht geprüft, nicht in mich hinein gespürt habe, ob ich überhaupt die nötigen Kapazitäten dafür habe. Nun soll ich also darauf achten, einen Raum zwischen Reiz und Reaktion entstehen zu lassen. Eine Pause, die mir dabei helfen soll, nicht in meinen üblichen Autopiloten zu verfallen, sondern mir auch die Chance gibt – jedes Mal aufs Neue – mich dafür entscheiden zu können, anders zu reagieren.

Seminareinblick

Laut Häring geht es beim Seminar „Mindful Leadership“ im Grunde darum, Achtsamkeit auf verschiedene Ebenen zu lenken: auf den Körper, der mithilfe von Atemmeditation und Body Scans wahrgenommen werden kann; auf Sinneserfahrungen, die z. B. durch achtsames Essen erlebbar werden, aber auch Gefühlstönungen zu beobachten – ob diese angenehm, unangenehm oder neutral sein mögen. Auch die Achtsamkeit auf Gedanken, Intentionen und Impulse spielen im Seminar eine Rolle z. B. bei Themen wie Prokrastination und Verhaltensmustern.

Interview

Was sind die Hauptziele des Seminars „Mindful Leadership“?

Häring: Wenn wir Achtsamkeitspraktiken regelmäßig durchführen, schafft das einen Raum zwischen einem Reiz, wie z. B. einer anstehenden Prüfung und meiner Reaktion darauf, wie z. B. Prüfungssorgen und Prokrastination, also die Vermeidung mit dem Lernen zu starten. Es entsteht ein Raum zwischen unserem beobachteten Selbst und unseren Gedanken, Gefühlen und unseren Körperempfindungen. Dadurch entwickeln sich möglicherweise mehr Verhaltensoptionen. Wir können beobachten: Wie reagiert unser Körper? Wie reagiert unser Atem? Welche Gedanken und Gefühle sind zu Besuch? Ist das angenehm oder unangenehm? Wie ist unser Erleben und welche Geisteshaltungen können uns vielleicht helfen oder ermöglichen, dass wir konstruktiver reagieren können, als es vielleicht ansonsten eher der Fall ist.

Im zweiten Teil geht es weiter mit spannenden Einblicken rund um das Thema Dankbarkeit, praktische Techniken zur Stressbewältigung und der Frage, wie sich die Inhalte des Seminars ganz konkret in den Alltag übertragen lassen.

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zu Benjamin Häring


Benjamin Häring, ein Theaterpädagoge (B.A.) und Master of Biographical and Creative Writing (M.A.), arbeitet seit 2012 als Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Hochschule Osnabrück. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Kommunikation, Rhetorik, Kooperation und Konfliktlösung.
Häring absolvierte ein Studium für Moderationstechnik und Medienpräsentation an der Hanseatischen Akademie der Medien in Lübeck und Hamburg. Im Jahre 2020 schloss er das Zertifikatsprogramm „Gross National Happiness Practitioner“ vom Eurasia Learning Institute for Happiness and Wellbeing in Kooperation mit der Hochschule Osnabrück ab. Zudem machte er eine Weiterbildung als Meditations- und Achtsamkeitslehrer im Jahre 2022.
Häring steht gern und häufig beim Improtheater auf der Bühne. Er sieht es als gute Übung, bei der es darauf ankommt, voll im gegenwärtigen Moment präsent zu sein. Im Improtheater wird dies in einem wertungsfreien Raum zur Weiterentwicklung gesehen – eine Art der Meditation also. Diese Fähigkeit zur Präsenz und Fokussierung sieht Häring als grundlegende Qualität, die auch durch Achtsamkeitstechniken unterstützt werden kann. Diese Techniken helfen dabei, sich stärker im Hier und Jetzt zu verankern, anstatt ständig in Gedanken an Vergangenes oder Planungen für die Zukunft abzudriften. Für Häring ist sein Engagement bei „Mindful Leadership“ eine wertvolle Ergänzung seiner Lehrtätigkeit und eröffnet Studierenden die Möglichkeit Achtsamkeit in den Alltag zu integrieren, ihr Verhaltensrepertoire zu erweitern und neue Handlungsmöglichkeiten zu entdecken.

Informationen rund um „Mindful Leadership“

Allgemeine Informationen zu „Mindful Leadership“:
https://www.hs-osnabrueck.de/mindful-leadership/

Campus Lingen: Präsenz (in deutsch) – Lehrender Benjamin Häring

Die Veranstaltung findet in verkürzter Form im Rahmen der Burgtheater-Seminare des Instituts für Theaterpädagogik statt. Eine Anmeldung muss daher dort vorgenommen werden.

Wann: montags, wöchentlich, Starttermin wird noch bekannt gegeben
Uhrzeit: 18.00 Uhr bis 20.30 Uhr
Ort: Bernd-Rosemeyer-Straße 9-11, 49808 Lingen (NOZ Medienhaus)

Informationen, Termine und Anmeldungen unter:
https://www.hs-osnabrueck.de/wir/fakultaeten/mkt/burgtheater/seminare/


 Auch am Westerberg gibt es den „Raum der Achtsamkeit“ im SL0220. 


Titelbild: eigene Aufnahme – Ort: Algarve, Portugal
Beitragsbild: eigene Aufnahme – Ort: Köln

https://wo-ist-eigentlich-lingen.de/achtsamkeit-im-studium

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