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28. Februar 2025Nutzloser Nutri-Score?
Ein Schritt zu gesünderem Essen oder cleveres Marketing?
Jeder von uns kennt es. Man steht vor dem Supermarktregal und versucht, gesunde Entscheidungen zu treffen – aber diese endlosen Tabellen mit Nährwertangaben? Wer hat dafür Zeit? Genau hier kommt der Nutri-Score ins Spiel: ein einfacher Buchstabe auf der Verpackung, der uns sagen soll, wie gesund ein Produkt wirklich ist. Klingt praktisch, oder? Doch ist der Nutri-Score wirklich die Revolution, die er zu sein verspricht, oder doch nur eine weitere Marketingstrategie?
Wie alles begann
Der Nutri-Score wurde 2016 in Frankreich entwickelt und basiert auf jahrelanger Forschung von Ernährungswissenschaftlern.Die Idee: Produkte werden nach ihren Inhaltsstoffen bewertet – Punkte für Zucker und Salz, Abzüge für Ballaststoffe und Proteine. Am Ende entsteht ein Score von A (super gesund!) bis E (lieber nur in Maßen genießen). In Frankreich lief die Sache gut an:
Bereits 2018 kennzeichneten viele französische Supermärkte wie Auchan, Intermarché und E.Leclerc ihre Produkte mit dem Nutri-Score. Der Erfolg führte dazu, dass das System auch in anderen europäischen Ländern wie Belgien, Spanien und Portugal eingeführt wurde.
In vielen Ländern, darunter Deutschland, ist der Nutri-Score bisher freiwillig. Seit 2020 können deutsche Unternehmen das Label nutzen, sind jedoch nicht dazu verpflichtet. Aktuell prüft die EU-Kommission, ob der Nutri-Score als verpflichtende Kennzeichnung für alle Mitgliedsstaaten eingeführt werden soll.

Kritik am Nutri-Score: Verbraucherschutz oder Lobbyarbeit?
Der Nutri-Score ist ein kontroverses Bewertungssystem: Einerseits erleichtert er den Vergleich von Lebensmitteln und stellt einen Fortschritt in der Nährwertkennzeichnung dar, andererseits wirft er zahlreiche Fragen auf. Verbraucherschützer, Wissenschaftler und Konsumenten kritisieren insbesondere die mangelnde Transparenz, mögliche Verzerrungen in der Bewertung, den Einfluss der Lebensmittelindustrie und die freiwillige Nutzung des Systems. Diese Schwächen lassen Zweifel an der tatsächlichen Wirksamkeit und Unabhängigkeit des Nutri-Scores aufkommen.
Schönrechnen leicht gemacht
Der Nutri-Score hat einen weiteren Haken: Er rechnet sich gesund. Klingt seltsam? Ist es auch. Stell dir vor, ein Müsli wird mit Ballaststoffen und ein bisschen Protein aufgewertet – plötzlich ist es ein „B“, obwohl der Zuckeranteil immer noch den halben Tagesbedarf sprengt. Das System balanciert gute und schlechte Inhaltsstoffe aus, was oft zu Ergebnissen führt, die die Realität verzerren.
Besonders problematisch ist das bei verarbeiteten Lebensmitteln. Ein Fertigessen mit künstlichen Zusätzen kann einen besseren Nutri-Score haben als ein naturbelassenes Produkt wie Honig oder Käse. Im Jahr 2023 wurde das Punktesystem überarbeitet, um insbesondere Zucker und andere Nährstoffe differenzierter bewerten zu können. Diese Anpassung sollte eigentlich für mehr Präzision sorgen, führte jedoch zu erheblicher Verwirrung. Verbraucher und Einzelhändler hatten oft keine Möglichkeit, sicher zu erkennen, ob ein Produkt nach der alten oder neuen Methode bewertet wurde.

Während der Übergangsphase wurde die Änderung von vielen Herstellern nicht klar kommuniziert. Hinweise auf die verwendete Bewertungsmethode fehlten häufig auf den Verpackungen, und die Konsumenten mussten sich aktiv an die Unternehmen wenden, um diese Informationen zu erhalten.
Was bedeutet das für Verbraucher?
Für Käufer wird es dadurch schwer, sich ein umfassendes Bild von der Qualität verschiedener Lebensmittel zu machen. Produkte mit guten Bewertungen werden oft sichtbar beworben, während Artikel ohne Kennzeichnung verborgen lassen, wie sie tatsächlich abschneiden. Verbraucher, die bewusst gesunde Entscheidungen treffen möchten, haben dadurch oft keine Möglichkeit, alle Produkte miteinander zu vergleichen.
Nutri-Score für alle: Pflicht wäre fairer
Stell dir vor, jedes Produkt im Supermarkt müsste den Nutri-Score tragen – kein Versteckspiel mehr, kein Drumherumreden. Schokoriegel, Tiefkühlpizza, Vollkornbrot? Alle hätten den gleichen Maßstab. Für uns Verbraucher:innen wäre das ein echter Gamechanger: Ein Blick reicht, und du weißt, was besser für dich ist.
Das würde nicht nur uns helfen, gesündere Entscheidungen zu treffen. Es würde auch die Hersteller ordentlich unter Druck setzen, ihre Rezepte aufzupolieren. Schließlich will niemand mit einem roten „E“ im Regal auffallen. Transparenz pur, und das ohne ständiges Googeln oder Kleingedrucktes studieren. Es wäre ein großer Schritt, damit der Nutri-Score wirklich hält, was er verspricht: Orientierung und Vertrauen.
Die Lobby im Hintergrund des Nutri-Score
Und dann ist da noch die Industrie. Kritiker werfen dem Nutri-Score vor, eher ein Werkzeug für Marketing als für gesunde Ernährung zu sein. Ein Beispiel: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt maximal 50 Gramm Zucker pro Tag. Der Nutri-Score? Der geht mit 90 Gramm durch – Zuckerhersteller dürften da wohl kaum protestieren.
Zuckergrenzwert: Ein Beispiel für Lobbyarbeit?

Ein besonders auffälliges Beispiel ist der festgelegte Grenzwert für Zucker. Der Nutri-Score erlaubt einen täglichen Konsum von bis zu 90 Gramm Zucker für eine erwachsene Person – ein Wert, der deutlich über den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegt. Diese empfiehlt, den Zuckerkonsum auf maximal 50 Gramm pro Tag zu begrenzen, um gesundheitliche Risiken zu minimieren. Kritiker vermuten, dass die höheren Grenzwerte auf den Einfluss von Lobbyarbeit durch die Lebensmittelindustrie zurückzuführen sind. Unternehmen, die stark zuckerhaltige Produkte herstellen, profitieren von solchen großzügigen Grenzwerten, da ihre Produkte durch den Nutri-Score besser dastehen, als sie es bei strikteren Vorgaben tun würden.
Glaubwürdigkeit auf dem Prüfstand
Die Diskrepanz zwischen den Empfehlungen der WHO und den Richtwerten des Nutri-Scores ist ein echter Stolperstein: Geht es hier wirklich um unseren Gesundheitsschutz – oder darum, dass Hersteller ihre Produkte in einem besseren Licht darstellen können? Wenn wir als Verbraucher das Gefühl bekommen, dass der Nutri-Score eher ein Marketingtrick ist als ein objektives Bewertungssystem, dann verliert er genau das, was er uns bieten soll: Vertrauen.
Das Problem? Der Score steht schnell unter Verdacht, mehr für die Wirtschaft als für uns Konsumenten zu arbeiten. Und dieser Eindruck bleibt, solange die Industrie zu viel Einfluss auf die Entwicklung der Kriterien hat. Für viele Verbraucherschützer ist daher klar: Nur unabhängige, wissenschaftlich fundierte Vorgaben können den Nutri-Score wieder glaubwürdig machen.
Die freiwillige Falle
Ein weiteres Problem: Der Nutri-Score ist in vielen Ländern freiwillig. Das klingt erstmal gut, heißt aber in der Praxis oft, dass Produkte mit schlechten Werten einfach ohne Kennzeichnung im Regal stehen. Hersteller können selbst entscheiden, ob sie den Score auf ihre Verpackung drucken – und klar, wenn der Buchstabe auf der Skala weiter hinten steht, wird das lieber weggelassen.
Für uns Verbraucher macht das den Einkauf komplizierter. Denn was nicht gekennzeichnet ist, bleibt ein Rätsel – und das spielt genau den Herstellern in die Karten, die weniger gesunde Produkte verkaufen. Ein verpflichtendes System könnte das ändern: Jedes Produkt, egal ob mit Top- oder Flop-Wert, müsste offen zeigen, wo es auf der Skala steht. Das würde nicht nur Transparenz schaffen, sondern auch den Druck auf die Hersteller:innen erhöhen, bessere Rezepturen zu entwickeln.
Warum „frisch“ nicht mitspielt
Ein weiteres Manko: Frisches Obst, Gemüse und andere unverarbeitete Lebensmittel bleiben beim Nutri-Score außen vor. Und das ist ziemlich absurd, denn genau diese Lebensmittel sind die Basis für eine gesunde Ernährung. Stattdessen konzentriert sich der Score vor allem auf verarbeitete Produkte. Das kann schnell dazu führen, dass wir denken, eine Tiefkühlmahlzeit mit einem guten Nutri-Score sei gesünder als frisches Gemüse – was natürlich nicht stimmt.

Eine sinnvolle Erweiterung des Systems müsste auch solche Basis-Lebensmittel einbeziehen. Schließlich geht es nicht nur darum, Snacks zu bewerten, sondern auch darum, unsere Ernährung insgesamt besser zu machen. Hier könnte der Nutri-Score noch eine Schippe drauflegen – und uns zeigen, dass „frisch“ immer die beste Wahl ist.
Eine Frage der Perspektive
Natürlich hat der Nutri-Score auch gute Seiten. Er ist einfach, schnell verständlich und hilft vielen dabei, gesündere Entscheidungen zu treffen. Studien zeigen, dass vor allem bei Snacks und Fertiggerichten der Griff zu gesünderen Alternativen steigt. Außerdem haben viele Hersteller ihre Rezepturen angepasst, um bessere Bewertungen zu erzielen – weniger Zucker, weniger Fett, mehr Ballaststoffe. Das klingt nach einem Gewinn für uns alle.
Doch ein großer blinder Fleck bleibt: Frische Lebensmittel wie Obst und Gemüse sind vom Nutri-Score ausgenommen. Das führt dazu, dass verarbeitete Produkte, die ein gutes „A“ oder „B“ tragen, oft bevorzugt werden, während die wirklich gesunden Basics im Einkaufswagen fehlen.
Nutri-Core: Ein System mit Potenzial – und Schwächen
Am Ende ist der Nutri-Score ein Werkzeug, das uns helfen kann – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Doch damit er wirklich etwas bewirkt, braucht es klare Verbesserungen:
- Verpflichtende Einführung: Alle Produkte müssen gekennzeichnet sein, damit wir wirklich vergleichen können.
- Neue Berechnungsgrundlagen: Frische Lebensmittel müssen einbezogen werden, und die Grenzwerte sollten sich stärker an wissenschaftlichen Empfehlungen orientieren.
- Unabhängigkeit: Der Einfluss der Industrie muss minimiert werden, um das Vertrauen der Verbraucher:innen zu gewinnen.
Solange wir den Nutri-Score kritisch hinterfragen und uns nicht nur von bunten Buchstaben leiten lassen, können wir ihn als nützlichen Begleiter nutzen. Aber echte Veränderungen brauchen mehr: Bildung, klare Regeln und eine gesunde Portion Skepsis. Und wie immer gilt – der Apfel schlägt die Tiefkühlpizza, egal welcher Buchstabe auf der Packung steht.