Mein Praktikum in der Kommunikationsagentur husare
22. September 2022Praktikum in Kommunikationsagentur
2. Oktober 2022WieL unterwegs: In Südafrikas Wildnis
Ich suche nicht nach den Big Five, ich lasse sie zu mir kommen.
Das ist das Motto meines Guides, wenn es darum geht, Büffel, Nashörner, Elefanten, Leoparden oder Löwen in freier Wildbahn zu finden. Der Begriff „Big Five“ entspringt den Zeiten der Großwildjagd des 19. und 20. Jahrhunderts und fasst die am gefährlichsten und schwersten zu jagenden Tiere zusammen. Vor zwei Tagen bin ich im Kruger-Nationalpark angekommen und lasse mich gemäß dem Motto meines Guides überraschen, welche Tiere wir tagtäglich sehen. Dafür stehen wir jeden Morgen um sechs Uhr abfahrtbereit am Tor unserer Unterkunft, des Pretoriuskop Camps, und kehren um 18 Uhr zur Schließung der Tore zurück. Wenn wir mit dem Auto unterwegs sind, schweifen meine Gedanken regelmäßig ab. In den vergangenen drei Wochen sah mein Alltag ganz anders aus. Drei Wochen lang habe ich in der Non-Profit-Organisation Helping Hands For Wildlife Freiwilligenarbeit geleistet. Die Organisation kümmert sich um verletzte und verwaiste Grünmeerkatzen (Affen) und wildert sie nach einem mehrjährigen Prozess wieder aus.
Als Freiwilligenhelfer:in ist der Alltag strukturiert. Die Aufgaben umfassen die Futtervorbereitung, die Fütterung, die Instandhaltung der Gehege und des Geländes sowie das Beobachten der Tiere und deren Verhalten. Im Kruger-Nationalpark sieht der Alltag anders aus, denn man weiß nie, welchen Tieren einem begegnen werden. So auch an diesem Morgen.
Der Tag beginnt
Wir fahren zu einem Damm, den die Tiere vor allem in den Morgen- und Abendstunden besuchen, um dort zu trinken. Auf dem Weg dorthin haben wir bereits Impalas und Elefanten am Straßenrand sehen können. Als wir ankommen, stehen mehrere Autos auf der Sandfläche, die alle in die gleiche Richtung geparkt haben. 100 Meter entfernt entdecken wir über 20 Löwen im Gras. „Ich denke, die werden sich jetzt nicht viel bewegen. Wir sollten frühstücken fahren und danach zurückkommen, um sie weiter zu beobachten“, sagt mein Guide, nachdem wir ein paar Minuten die reglosen müden Löwen betrachtet haben. Wir drehen also um und entfernen uns über eine Sandstraße von dem Damm, als mein Guide stark bremst. Etwas entfernt vor uns zwischen zwei Büschen bewegt sich etwas massives graues. Es scheint ein Nashorn zu sein. „Es sind zwei!“, rufe ich euphorisch, denn Nashörner zu sehen, ist etwas besonderes. Von ihnen gibt es in dem Park nur etwa 300. Weil die Nashörner auf dem Weg zum Damm sind, beschließen wir kurzerhand, zurück zum Damm zu fahren und das Frühstück im Auto zu genießen. Wir parken also wieder auf der Sandfläche und suchen aus dem vollgepackten Auto alles, was wir zum Frühstücken brauchen. Als auf der anderen Seite des Wassers ein Leopard durch das Gras läuft, können wir unser Glück kaum fassen. Innerhalb einer Stunde haben wir vier der Big Five sehen dürfen. In meinen Gedanken bezeichne ich diese Sichtungen, die wir an diesem Morgen schon hatten, als die besten des Tages – ohne zu wissen, was noch kommt.
Das schönste Gemälde der Welt
Weil an dem Damm nicht mehr viel zu passieren scheint, fahren wir weiter. Ich entdecke ein weiteres Nashorn in hohem Gras und kurz darauf berichtet uns der Fahrer eines entgegenkommenden Autos von einem Leoparden in einem Baum. Man könne ihn von einer bestimmten Brücke aus sehen. Wir machen uns auf den Weg und stehen schließlich nicht als Einzige auf besagter Brücke. Als hätte er es gespürt, zeigt mein Guide auf einen Baum, der bestimmt 200m entfernt im trockenen Flussbett in die Höhe ragt. „Das muss der Baum sein“, sagt er als er sein Fernglas zückt und bestätigend nickt. Tatsächlich liegt auf einem der dicken Äste ein Leopard, den man nicht gesehen hätte, wäre man unwissend über die Brücke gefahren. Das war schon der zweite Leopard an dem Tag. Einige Zeit später kommen wir an dem Picknick-Spot an, an dem wir zu Mittag essen werden. Schon auf dem Hinweg haben wir in dem Flussbett des Sabie River, welches direkt vor uns liegt, mindestens 70 Elefanten zählen können. Die kleineren konnte man kaum sehen, da sie im grünen saftigen Gras untergegangen sind.
Während wir unser Essen auf einem Gasgrill zubereiten und schließlich essen, fragt sich mein Guide, warum andere Menschen während des Essens Serien schauen oder ähnliches. „Das hier ist das schönste Gemälde der Welt“ sagt er und deutet vor uns. Er hat recht, denke ich, beobachte die Elefanten, die vor unseren Augen grasen und trinken, und werde etwas emotional. Mit so einer Aussicht habe ich nicht gerechnet. So riesig die grauen Giganten auch sind und so gefährlich sie auch werden können, in dem Moment beruhigen mich ihre langsamen Bewegungen und ihre simple Anwesenheit.
Von atemberaubenden Sichtungen und glückseliger Dankbarkeit
Nach dem Essen fahren wir eine ganze Weile umher und ich werde müde. Ich muss mit mir selbst kämpfen, nicht einzuschlafen, als mein Guide eine Vollbremsung hinlegt und ein Stück rückwärts fährt. Rechts neben der Sandstraße liegt eine Löwin und eine weitere kommt um die Ecke. Ich bin wieder hellwach! Beide Löwinnen laufen rechts von unserem Auto, kreuzen vor uns die Straße und legen sich auf der anderen Seite wieder nieder. Ein männlicher Löwe, der plötzlich auftaucht, tut es ihnen gleich. Wir fahren ein Stück vor, um direkt neben ihnen zu stehen. Das ist der Moment, in dem ich einem wilden Löwen das erste Mal in seine gelb- bis bernsteinfarbenen Augen blicke. Dieses Gefühl, das ein Blick eines majestätischen wilden Löwen in einem auslöst, ist kaum zu beschreiben. Zwar sitze ich in einem Auto, aber dennoch wird mir bewusst, dass um mich herum nur die Wildnis existiert. Hier ist das zu Hause der wilden Tiere, der wilden Löwen, und ich bin hier nur zu Besuch.
Ich möchte ungerne loslassen von diesem Moment, doch einige Zeit später fahren wir weiter. Wir sehen immer wieder ein paar Tiere, die wir kurz beobachten. Auf einer geteerten Straße sehen wir zwei Autos, die angehalten haben. Eines blickt in die gleiche Richtung wie wir, das andere kommt uns entgegen. Ganz instinktiv scannen wir die Umgebung nach Tieren ab, da die beiden Autos nicht grundlos stehen geblieben sein werden. Der Fahrer aus dem Auto gegenüber winkt uns ein Stück vor, sodass wir neben dem anderen Auto stehen. Auf der linken Straßenseite läuft ein Leopard. Der dritte! Weil er sich bewegt, fahren wir wieder ein Stück rückwärts und bestaunen dieses wunderschöne Tier. Er läuft direkt neben meinem Fenster her und sein gleichmäßig gemustertes Fell sowie seine eleganten Bewegungen rauben mir den Atem.
Kurz darauf verschwindet der Leopard im Gras und wir fangen an zu lachen, weil wir unser Glück selbst kaum fassen können.
Der Tag neigt sich dem Ende, die Sonne geht langsam unter und wir machen einen letzten Abstecher zu einem anderen Damm. Am anderen Ufer liegt eine Löwin die zwischendurch brüllt. Mein Guide vermutet, dass sie ihre Jungen in der Nähe hat und nun das Rudel herbeiruft. Wir würden am nächsten Morgen wiederkommen, um nach ihnen zu schauen. Mit leichtem und lachendem Herzen, das wieder ein kleines Stück an die Natur und die Wildnis dieser Welt verloren hat, sitze ich auf dem Beifahrersitz und weiß, dass ich diese Erinnerungen für immer behalten werde.