Achtsamkeit im Studium
26. April 2024Wie geht eigentlich Gewohnheit? Gute Gewohnheiten etablieren
29. April 2024Die (Un-)Nützlichkeit von Stress
Minireihe zum Thema Mentale Gesundheit
von Julia Wenninger
64 Prozent der Deutschen trauen sich nicht am Arbeitsplatz darüber zu sprechen, dass sie Depressionen haben, laut der Deutschen Depressionshilfe.1 Die Angst vor Benachteiligung oder Diskriminierung ist zu groß und stellt daher häufig ein Hemmnis dar. Ein Entstehungsfaktor von Depressionen kann Stress sein.
Schon allein das Wort Stress ist nicht positiv besetzt. Dabei ist er eine sehr nützliche Reaktion unseres Körpers. Aus evolutionsbiologischer Sicht ist Stress dazu gedacht, Menschen in lebensgefährlichen Situationen zu befähigen, sich selbst zu retten, indem man flüchtet oder kämpft.
Eine natürliche Stressreaktion in solch einer Gefahrensituation verläuft folgendermaßen:
Der Parasympathikus gehört zum Nervensystem. Er wird auch als „Ruhenerv“ bezeichnet und bewirkt, dass beispielsweise Herz- und Atemfrequenz abnehmen. Unter seinem Einfluss tritt Entspannung und Regeneration ein. Der Sympathikus hingegen sorgt für eine Leistungssteigerung. Er wird in Stress- und Notfallsituationen aktiviert. Unter seinem Einfluss steigen Blutdruck sowie Herz- und Atemfrequenz und die Muskulatur wird angespannt. Der Körper wird stärker durchblutet. Bei einer natürlichen Stressreaktion folgt auf den Stressreiz eine Alarm- und daran anschließend eine Erholungsphase.
Anders beim Dauerstress:
Eigene Darstellung von Dr. Sabine Meier von Health at Work in Anlehnung an Adolphsen 2011, S. 473
Der Körper braucht länger, um die Entspannungsreaktion einleiten zu können, da der Organismus weiterhin in moderater Erregung bleibt, wenn der Stressor anhält. Es gelingt ihm (noch) der Belastung zu widerstehen. Bleibt das stressauslösende Ereignis dauerhaft bestehen, setzt schließlich ein Stadium der Erschöpfung ein. Der Körper hat keine Möglichkeit mehr sich zu erholen, der Stresshormonspiegel sinkt nicht mehr. Das hat zur Folge, dass der Organismus dem Stressor nicht mehr standhalten kann.
Dauerstress ist für den Körper Dauerleistungssport. Bei permanent ausgeschütteten Stresshormonen und der Übererregung des autonomen Nervensystems kann die Gesundheit Schaden nehmen. Geht das über einen langen Zeitraum, ist die Gefahr an einer Depression zu erkranken, erhöht.
Umso wichtiger, Strategien zu kennen, die helfen Stress zu bewältigen, denn der Berufsalltag umfasst – anders als manches Studium – die unterschiedlichsten Herausforderungen, die auch noch eine andere Tragweite an Konsequenzen mit sich bringen, wenn etwas schief gehen sollte. Spoiler: Der Workload wird nicht weniger.
Je früher man Stressbewältigungsstrategien erlernt, desto besser.
Mental Load – Wenn der Kopf voller Aufgaben ist
Apropos füher: In den 50er Jahren war „Frauengold“ der heiße Tipp, wenn es um wirksame Stressbewältigung ging. Das vermeintliche Wundermittel in allen Lebenslagen, welches vornehmlich an Hausfrauen vermarktet wurde, bestand nur aus Alkohol. Keine wirklich nachhaltige Lösung. Bessere Ideen sind Übungen zur Stressreduktion wie Atemübungen oder Übungen zur Achtsamkeit wie Meditation.
Insbesondere dann zu empfehlen, wenn der Mental Load mal wieder droht, Überhand zu nehmen. Der Begriff stammt aus der kognitiven Psychologie und beschreibt die zusätzliche Belastung für das Arbeitsgedächtnis durch eine Vielzahl von Entscheidungen sowie Verantwortlichkeiten. Ein Zustand, der über einen längeren Zeitraum, zu kognitiver Überlastung als auch zu Stress oder Erschöpfung führen kann.
Mental Load vermittelt nicht nur was es ist, sondern auch wie es sich anfühlt. Der Begriff wird häufig mit Müttern assoziiert und der damit einhergehenden ungleichmäßigen Verteilung von Sorgearbeit in einer Familie. Seit der Pandemie wird der Begriff breiter angewendet. Heutzutage steht er für alle, deren Kopf mit Aufgaben, Verantwortung sowie Verpflichtungen voll ist.
Aber wie kann mentale Erholung aussehen? Darauf hat Arbeitspsychologin Dr. Hannah Schade vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund eine klare Antwort: Sport – und das am besten draußen, denn Bewegung in der Natur hilft beim Stressabbau.4 Unsere mentalen Akkus werden wieder aufgeladen.
Einen Haken hat die Stressbewältigung: Sie wird meistens dann gebraucht, wenn man glaubt, keine Zeit dafür zu haben. In diesen Momenten ist es besonders wichtig, das schlechte Gewissen darüber, sich mit etwas vermeintlich Unproduktivem zu beschäftigen, beiseite zu schieben, denn das eigene Wohlbefinden sollte die erste Priorität sein. Häufig erkennt man nicht, welche Wirkung 10 Minuten Spazierengehen haben kann. Es ist nicht notwendig sich im Fitnessstudio zum Sport zu zwingen, um zu versuchen das eigene Stresslevel zu verringern. Deshalb findest Du hier kurze Übungen, die man ganz einfach zu Hause machen kann.
Übungen zur Stressreduktion
Übung 1 – Achtsamkeitsübung im Stehen am geöffneten Fenster von Dr. Sabine Meier von Health at Work – 5 Dinge, die ich sehe, höre, fühle
Konzentriere Dich auf 5 Dinge die Du sehen (Augen) kannst z. B. einen Vogel, ein Haus, eine Blüte, eine Wolke, einen Menschen…
Nun schließe Deine Augen. Richte Deine Aufmerksamkeit auf 5 Dinge, die Du hören (Ohren) kannst z. B. ein Auto, einen Rasenmäher, Wind der durch die Blätter weht…
Richte Deine Aufmerksamkeit abschließend auf 5 Dinge, die Du fühlen kannst (Haut) z. B. einen Ring am Finger, ein Sakko auf den Schultern, die Zehen in den Schuhen…
Wiederhole die Übung anschließend mit jeweils 4 und 3 Dingen.
Übung 2 – Wechselatmung gegen Stress
Stelle oder setze Dich aufrecht hin, lehne Dich am besten an und schließe Deine Augen. Nimm die rechte Hand an Deine Nase und verschließe das rechte Nasenloch mit Deinem Daumen. Atme langsam und tief durch das linke Nasenloch ein. Verschließe es jetzt mit dem Ringfinger und halte den Atem ein paar Sekunden an. Löse nun den Daumen vom rechten Nasenloch und atme langsam und bewusst aus. Wiederhole die Atmung umgekehrt und halte das linke Nasenloch zu, während Du durch das rechte tief und langsam einatmest.
Übung 3 – Bauchatmung
Der bewusste Einsatz der Bauchatmung eignet sich, wenn Du eine kurze Phase der Entspannung benötigst oder Du Dich sammeln willst. Setz Dich mit geradem Rücken hin. Lege Deine Hände auf den Bauch, die Fingerspitzen berühren sich leicht. Achte darauf, durch die Nase einzuatmen. Atme möglichst gleichmäßig und ohne Anstrengung ein und aus. Lass zuerst die Luft in Deinen Bauch fließen und anschließend in Deine Brust. Durch die Einatmung wölbt sich Dein Bauch leicht nach außen, und die Finger bewegen sich auseinander. Atme aus, indem Du zuerst Deine Brust, dann Deinen Bauch einfach locker lässt. Der Bauch sollte sich bei der Ausatmung spürbar nach innen bewegen. Wenn Du vollständig ausgeatmet hast, atme erst wieder ein, wenn Du das Bedürfnis dazu verspürst.
Die Übungen können ein erster Schritt sein, um Dir beim Innehalten in stressigen Phasen zu helfen, einen klaren Kopf zu behalten, aber auch die Hochschule Osnabrück lässt Dich nicht alleine. Sie hat jede Menge Anlaufstellen, an die Du Dich wenden kannst.
Die Psychosoziale Beratungsstelle bietet vertrauliche Gespräche zu verschiedensten Themen an, die alle die Lebenswirklichkeit von Studierenden betreffen. Schau doch mal vorbei: https://www.studentenwerk-osnabrueck.de/de/beratung/psychologische-beratung.html.
Unter: https://www.hs-osnabrueck.de/learningcenter/fuer-studierende/ findest du die Angebote vom LearningCenter, die Dein Potenzial für ein erfolgreiches Studium voll ausschöpfen helfen sollen.
Und weil es noch viel mehr gibt, wird im letzten und dritten Teil der Minireihe zum Thema Mentale Gesundheit eines dieser Angebote genauer vorgestellt: Das Seminar Mindful Leadership am Campus Lingen.
- Deutschland Barometer Depression – Studie der Stiftung Deutsche Depressionshilfe 2021 ↩︎
- Adolphsen, Catharina (2011): Autogenes Training für Dummies. Weinheim: Wiley-VCH-Verlag. ↩︎
- Adolphsen, Catharina (2011): Autogenes Training für Dummies. Weinheim: Wiley-VCH-Verlag. ↩︎
- Herbe, Ann-Christin/Holland-Moritz, Melissa/Schlömer, Marc (2022): Grauzone. Heavy Mental – Generation Depression? ZDFmediathek [online]. Veröffentlicht am 13. Juli. URL: https://www.zdf.de/dokumentation/grauzone/depression-psyche-burnout-psychotherapie-100.html (Zugriff am 01.04.2024). ↩︎
Titelbild: eigene Aufnahme – Ort: Rheinufer Köln