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2. Juni 2023WieL gelesen: Verity
18. Dezember 2023Der Herbst und seine vergessenen Geschichten
Lesedauer: 5 Minuten
Der Herbst wurde von Fratzengesichtern, Gruselkostümen und der Jagd nach Süßigkeiten erobert.
Während die Lebensmittelindustrie ein profitables Geschäft für sich entdeckt hat, wurden die „echten“ Herbstbräuche und ihre Hintergründe in die Tiefen der Vergessens geschickt.
Nur der charakteristische Kürbis hält sich tapfer als Andenken alter Bräuche und symbolisiert heute Halloween.
Erntedank
In ländlichen Regionen kennen viele Menschen noch das Erntedankfest. Schon seit September feiert beispielsweise das Emsland in verschiedenen Ecken Erntedank – sei es ein großer Umzug mit bunten Wagen, Gottesdienste oder Erntedankpartys.
Die goldene Jahreszeit Herbst bringt uns besonders zwei Gefühle sehr nah: Freude und Andacht. Doch warum gehen wir gerade mit diesen Emotionen in die kalten Jahreszeiten? Die Antwort liegt verwoben in Geschichten von überall, die doch alle etwas gemeinsam haben. In diesem Artikel erleben wir eine Reise durch verschiedenste Kontinente und Zeiten.
Lange Zeit bedeutete der Beginn des Herbst das Einholen der Ernte. Aus dem Glauben heraus, dass die Ernte von der Natur gegeben sei, wollten die Menschen der Natur etwas zurückgeben. Dafür dankten sie der Kornmutter, den Korngeistern, dem Roggenwolf und vielen anderen Gestalten. Die Kornmutter sorgte für Ordnung und war ein Schreckgespenst für Kinder. Bei der Ernte flüchtete sie in die letzten Ähren. Die Bauern banden sie zusammen und ließen sie auf dem Feld stehen – damit die Kornmutter ihre Felder auch im nächsten Jahr beschützen würde.
Auch in Nordamerika spielt Thanksgiving eine große Rolle. Es geht um Familie, Freude und Dankbarkeit. In kritisch dunklem Humor thematisiert der Film „The Addams Family Values“ 1993, dass Thanksgiving an die Ernte der ersten Einwanderer im Jahr 1621 und die geteilten Lebensmittel mit den indigenen Völkern Nordamerikas erinnert. Darauf ist auch der berühmte gefüllte Truthahn zurückzuführen.
Eng verbunden mit dem Erntedankfest ist Allerheiligen. Hier kommt nun auch die andächtige Stimmung dazu. Denn mit der Integration vorchristlicher Rituale in den christlichen Kalender wurde Allerheiligen ein stiller Feiertag – auch wenn das Datum des Öfteren von verschiedenen Päpsten verschoben wurde.
Mystische
Zwischenwelten
Alter Volksglauben besagte, dass arme Seelen in der Nacht von Allerheiligen und Allerseelen aufstiegen und sich von dem Fegefeuer erholen konnten. Seelenlichter und Weihwasser sollten den armen Seelen helfen, ihren Weg zu finden. Eine ähnliche Idee findet sich in den Wurzeln von Halloween. All Hallows’ Eve heißt der Tag vor Allerheiligen. Die Religionsethnologie sieht die Wurzeln von Halloween im irisch-keltischen Fest Samhain, eines der vier großen keltischen Jahresfeste. Mit dem Beginn eines neuen Jahres (laut dem keltischen Kalender) war in dieser Nacht das Tor zur Anderswelt geöffnet. Jenseitige Wesen und Menschen nahmen Kontakt miteinander auf. Zudem feierten die Menschen das Fest von Tara, eine der ältesten altirischen Bräuche.
Im 19. Jahrhundert fanden die irischen Bräuche dann ihren Weg nach Nordamerika. Besonders Halloween sollte berühmt werden. Mit ihnen kam aber auch die Sage von Jack O’Lantern. Inzwischen ist der Hufschmied und Tunichtgut überwiegend vergessen, doch das geschnitzte Kürbisgesicht ist weltweit ein Symbol für den Herbst.
Laut der Erzählung saß Jack am Abend des 31. Oktobers in einem Wirtshaus. Der Teufel wollte Jacks Seele, doch er schaffte es den Teufel zu überlisten. Er sollte Jack auf einen letzten Drink einladen, danach würde er seine Seele bekommen. Doch der Teufel hatte kein Geld und musste sich selbst in eine Münze verwandeln. Jack nahm die Münze und steckte sie zu seinem Kreuz in die Tasche, dadurch konnte der Teufel sich nicht zurückverwandeln. Er ging einen Deal ein. Und so war Jack für weitere 10 Jahre frei.
Die Jahre vergingen und der Teufel kam ein weiteres Mal für Jacks Seele. Wieder überlistete er den Teufel. Diesmal versprach der Teufel seine Seele für alle Ewigkeiten in Ruhe zu lassen. Nun kam der Tag, dass Jack starb und in den Himmel wollte. Dort wurde er abgelehnt. Er ging zu dem Teufel, der ihn nicht aufnehmen konnte. Doch er gab Jack ein Stück glühende Höllenkohle, die er in eine Rübe stopfte. So konnte er zu Halloween als verdammte Seele wandeln. Später entstand der Glaube, dass eine erleuchtete Rübe oder Kürbis vor Dämonen, Geistern und dem Teufel schütze. In Südwest England gibt des den Feiertag „Punkie Night“ am letzten Donnerstag im Oktober, der Jack O’Lantern geweiht ist.
Bunte Trauer
Herbstbräuche vereinigen die Vergänglichkeit der Natur mit Mystik. Der Tod und die Vorstellungen davon sind also seit jeher in die Bräuche der Menschen eingeflossen. Auch das mexikanische Festival „Guelaguetza“ wird zu Ehren der Toten gefeiert. In Oaxaca danken die Menschen mit Musik und Tanz in traditionellen Gewändern der Maisgöttin Centeotl für die Geschenke der Natur.
Durch den Pixar-Film „Coco“ fand das Fest „Día de los Muertos“ mehr Aufmerksamkeit. Die bunten Skelette und Schädel gehören typischerweise dazu. Ursprünglich feierten die prä-hispanischen Völker diesen Tag im August nach ihrer Erntezeit. Für sie gehörte der Tod als natürliche Phase des Lebens dazu. Darum ging es ihnen beim Andenken an die Toten nicht um die Trauer. Doch dieser Brauch fand ein ähnliches Schicksal wie Allerheiligen. Die Spanier setzten mit der Christianisierung den „Día de los Muertos“ auf den 02. November, damit ist das Fest inzwischen eine Mischung aus prä-hispanischen, religiösen Ritualen und christlichen Festen.
Ähnlich fröhlich und bunt geht es beim „Umhlanga Reed Dance“ zu. Das achttägige Fest findet im Dorf der Queen Mother statt, die Frau des höchsten Ranges. Zehntausende unverheiratete und kinderlose Swasi-Mädchen und -Frauen versammeln sich, um für die monarchische Familie zu tanzen. Der Brauch hat seine Wurzeln im alten Swasi-Brauch, dass Mädchen vor ihrer Heirat in Gruppen gemeinsam lebten. Heute wird der Brauch erhalten, um die Solidarität junger Frauen zu stärken und ihnen mehr Respekt zu verschaffen, gleichzeitig auch um die Traditionen zu erhalten.
Andacht
Das jüdische Erntedankfest ist das Laubhüttenfest „Sukkot“ (Das Fest des Einsammelns). Es beginnt am 9. Oktober. Neben dem Erntedank soll das Fest an den Auszug aus Ägypten erinnern. Die Laubhütten symbolisieren die Hütten aus Zweig, in denen die Israeliten während der Wüstenwanderung lebten.
Zu guter Letzt darf das Mondfest nicht fehlen. Das traditionelle Mondfest ist in Taiwan und China ein gesetzlicher Feiertag. In Japan heißt es Otsukimi. Zum Vollmond des achten Monats finden sich Familien, sogar ganze Nachbarschaften, zusammen und essen gemeinsam Mondkuchen. Jede Bäckerei hat ein eigenes Rezept und die Füllungen können süß und salzig sein.
Der Mondkuchen wird nie zum eigenen Bedarf gekauft. Dieser Familientag wird oft für Ausflüge genutzt, es gibt aber auch öffentliche Feierlichkeiten. Der Brauch geht auf die Sage zurück, dass ein Bogenschütze den Menschen in einer schweren Dürre half. Er befahl der Sonne, regelmäßig auf- und unterzugehen. Er sollte dafür Ruhm bekommen. Sosehr, dass eine Göttin ihm einen Trank für Unsterblichkeit gab. Seine Frau schluckte den Trank und schwebte zum Mond, seitdem lebte sie dort.
Bräuche entstanden aus kulturellen und spirituellen Ansichten und wurden von geschichtlichen Ereignissen geprägt. Sie entwickelten sich nicht nur parallel. Viele Bräuche sind das Ergebnis aus Kontakten verschiedener Kulturen.
Die Gemeinsamkeit aller: die Verbindung zur Natur.
Der Herbst als natürliches Phänomen wurde in die Weltanschauung aufgenommen. So konnten die Menschen mit Vergänglichkeit, Tod und der anstehenden kalten Jahreszeit umgehen.
Es geht um Rückbesinnung auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben: Nahrung, geliebte Menschen – und ihnen Dankbarkeit zeigen.
So unterschiedlich unsere Bräuche sein mögen, dies teilen alle Menschen auf dieser Welt und dafür dürfen wir dankbar sein.