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Lingen grüßt die Welt – Der Blick aus dem Fenster (Woche 13)
14. Juni 2020
Lingen grüßt die Welt – der Blick aus dem Fenster (Praktikumsedition)
13. September 2020Ein neues Museum für Lingen
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Bild der Stadt Lingen
Lingen bekommt ein Museum, soweit eine eher unbekümmerte Nachricht. Wenn dieses Museum sich jedoch zu einem großen Teil auch Bernd Rosemeyer widmet, wird die pikante Situation deutlicher. Bernd Rosemeyer war Hauptsturmbandführer der SS. Ein Detail, welches zweifelsohne eine gewisse Relevanz in der Betrachtung der Persönlichkeit Rosemeyers darstellt. Es gibt keine Dokumentation eines aktiven Dienstes, als Argument für das Auslassen seiner Verstrickungen mit dem Nationalsozialismus, wäre dies jedoch ein Hohn für Menschen, die unter dem NS-Regime gelitten haben.
Ein Museum wäre nun eben jene Chance, diese Verstrickungen darzustellen, die Legende zu entmystifizieren. Die „[…] Verquickung gegenläufiger technologisch-ökonomischer, ideologischer und kultureller Entwicklungen als spezifisches Merkmal des Dritten Reiches […]“ aufzuzeigen, wie Schütz und Streim die Verbindungen beschrieben.
Dr. Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, äußerte sich, bezogen auf diese Perspektive, positiv zum Museum. Doch was bleibt von der Herangehensweise?
Prof. Dr. Bernd Walter, Sprecher des wissenschaftlichen Beirates, äußerte sich erst kürzlich zu dem Vorhaben. In einem Artikel vom 14.04.2019 beschrieb er die Ausrichtung:
„Die Chancen dieses Museums in Lingen bestehen darin, am Beispiel des kometenhaften und kurzen Aufstiegs beziehungsweise der Sportkarriere eines „Sohnes der Stadt“ sowohl ein Stück lokaler Zeitgeschichte aufzuarbeiten und an einem Kapitel populärer Sport- und Technikgeschichte die Beschäftigung mit historischen Themen auch für jüngere Generationen attraktiv zu machen. Dabei sollen mehr als 80 Jahre danach die Widersprüchlichkeiten und Ambivalenzen von Verführung und Gewalt als Grundmerkmal der Geschichte des Nationalsozialismus exemplarisch präsentiert beziehungsweise sichtbar gemacht werden.“
Bemerkenswert ist hierbei vor allem der letzte Teil seiner Antwort. Die Darstellung der „Ambivalenzen von Verführung und Gewalt […] exemplarisch präsentiert […].“ Bernd Rosemeyer erfuhr nie einen Zwang. Er trat der SS mutmaßlich bei, um bessere Aufstiegschancen für seine weitere sportliche Laufbahn zu haben. Statt groß zu denken, verkümmert die Chance.
Wenn man nun eben Bernd Rosemeyer an seiner Legende misst, an seinen Leistungen als Rennfahrer, dann verliert man unweigerlich den Fokus. Die Beleuchtung eben jener Verstrickung von Nationalismus, Militarismus, Fortschritt und Sport tritt in den Schatten. Ohne jene Darstellung bricht das Museum über der Person Rosemeyers zusammen. Er bleibt, während die Umstände verschwimmen.
Doch was bleibt, wenn der letzte Hauch der Propaganda verzogen ist, der Mythos des uneinholbaren Rennfahrers verflogen ist? Es bleibt jemand, der bereits 1932 ohne Zwang in die SS eingetreten ist, um zu profitieren. Es bleibt eine Persönlichkeit, die sich für Hitlers Propaganda einspannen ließ, auch als die Fassade bröckelte und der Weg Deutschlands immer klarer wurde. Es bleibt ein Nazi-Kollaborateur.
Ein Artikel von Torben Krüper und Björn Hanke