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11. November 2019
Von Schreibblockaden und Anwesenheitspflicht
17. November 2019Europa und seine 2 Hauptstädte
Hamburg, leichter Nieselregen fällt auf die Kameraobjektive der verbliebenden Journalisten, die das Treiben auf den Straßen stoisch beobachten. Schon längst ist #Fridays4future nicht mehr allzu präsent in den Medien, wie noch vor wenigen Wochen. Ein Kameraschwenk. Brüssel. Zwei griesgrämig dreinschauende Männer schleppen Reisekisten mit Akten zu einem der bereitstehenden LKWs. Allein für die Akten werden 8 Lkws benötigt. Wieder ein Kameraschwenk. Straßburg. Mit einer großen Mehrheit beschließt das europäische Parlament neue CO2 Vorgaben für Neuwagen. Als längst überfällig von verschiedenen Parlamentariern bewertet, könnte man vielleicht bei diesem Thema ansetzen und eine seit 1958 überfällige Entscheidung treffen. Das Problem der zwei Parlamente.
Doch erst einmal ein kleiner Exkurs in ihrer Entstehung. 1951. Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, kurz EGKS, wird gegründet. Als Vorreiter der Europäischen Gemeinschaft konnten ihre Mitglieder Kohle und Stahl handeln, ohne eine Zollgebühr entrichten zu müssen. Luxemburg als Standort für die Kontrollinstitutionen vorgesehen, wurde, aufgrund von fehlenden Räumlichkeiten in entsprechender Größe, Straßburg gewählt. Doch schon 1957 kommt es zur Entstehung des Standortes Brüssel. Die Kommissionen sowie Räte der neugegründeten Organisationen EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) und Euratom (Europäische Atomgemeinschaft) werden in Brüssel angesiedelt. Folglich werden auch Teile der parlamentarischen Tätigkeiten nach Brüssel verlegt. Schon 1958 gibt es daher Bestrebungen, einen einzigen Standort auszuwählen. Die Außenminister der Länder finden jedoch keine Einigung.
Einen Fusionsvertrag im Jahre 1965 sowie einen Gipfel von Edinburgh später, ist Straßburg der offizielle Sitz des Parlamentes, während in Brüssel die wichtigsten Institutionen sowie die europäische Kommission und der europäische Rat angesiedelt sind.
Frage: Was hat dies nun alles mit Schulkindern in Hamburg, 2 mürrischen Männern die Reisekisten schleppen in Brüssel sowie einer Entscheidung in Straßburg zu tun.
Die Lösung für diese Frage liegt bei der Standortwahl. Zwischen den Städten liegt nicht etwa ein kleiner Mittagsspaziergang. Zu Fuß wäre der knapp 430 Kilometer lange Weg wohl eher ein Martyrium. Die Abgeordneten müssen diesen Weg, hin und zurück, jedoch jedes Jahr mindestens zwölf Mal bestreiten, samt wichtiger Unterlagen und einer Vielzahl von Angestellten und anderer Beamten.
Die Kosten machen hierbei nach mehreren Schätzungen in etwa zehn Prozent des Budgets aus, welches dem Parlament zu Verfügung steht. Anders ausgedrückt, etwa 200 Millionen Euro. Nochmals anders ausgerückt sind es etwa 19.000 Tonnen CO2 pro Jahr oder auch 70.000 „verlorene“ Arbeitstage, alle Involvierten zusammengenommen. Die Mehrkosten von 109 Millionen Euro für den Betrieb des Standortes Straßburg nehmen wir hierbei mal aus.
Die Lösung, so mag man denken, ist ja recht einfach. Ein Hauptstandort auswählen, dann muss der andere auch nicht, trotz 42 Tägiger Benutzung im Jahr, durchgehend beheizt werden.
Fehlen würden jetzt nur noch der einstimmige Beschluss aller Mitgliedstaaten sowie die Ratifizierung durch alle nationalen Parlamente der Mitgliedsstaaten, um eine derartige Veränderung der bestehenden Verträge zu unterstützen. Dies würde auch erklären, warum die Änderung, trotz mehrheitlicher Befürwortung durch die Parlamentarier, noch nicht umgesetzt wurde.
Vielleicht ist es daher auch deshalb so wichtig informiert wählen zu gehen, um Politiker zu ernennen die weise regieren. Auf nationaler und europäischer Ebene. Letzten Endes sind wir Europa und Europa ist das, was wir daraus machen.
Ein Artikel von Lars Hagemann und Torben Krüper