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14. Juni 2020Polizei in den USA: Ausbildung dauert gerade einmal 19 Wochen
Die momentane Situation wirft wieder einmal ein Schlaglicht auf die Polizei in den USA. Doch warum machen amerikanische Polizisten so häufig Fehler, reagieren zu brutal und warum schützt das Gesetz dort dieses Verhalten?
Erst 2014 starb Eric Garner im Würgegriff eines Polizisten, Freddie Gray verendete 2015 an Gehirnverletzungen nach einem „rough ride“ in einem Polizeifahrzeug. In diesem März starb Breonna Taylor, nachdem Polizisten unangekündigt ihre Wohnung durchsuchen wollten. Der durch Polizeihand verursachte Tod vom 45 jährigen George Floyd vor anderthalb Wochen wirkte da wie der Funken im Pulverfass.
Von Los Angeles bis Boston demonstrieren seitdem Personen jeglicher Hautfarbe gegen Polizeigewalt an Afroamerikanern. Diese Proteste rücken die Ausbildung der Polizisten ins Licht: Wie werden die Polizisten ausgebildet? Warum werden so viele gewalttätige Polizisten nicht verurteilt?
Fokus auf Schusswaffen
In den USA gibt es 18 000 Polizeibehörden, diese handeln bei der Ausbildung ihrer Polizisten weitestgehend autonom. Im Durchschnitt des Landes dauert diese Ausbildung 19 Wochen, wobei die Unterschiede innerhalb des Landes enorm sind: Während z.B. in Kalifornien jeder Anwärter 32 Wochen ausgebildet wird, so kann in Indiana jeder von der Behörde eingestellte Rekrut ohne formale Ausbildung seine Arbeit beginnen. Einzige Voraussetzung: Die Schulung muss innerhalb eines Jahres nachgeholt werden. Wie lange diese dauert ist aber der lokalen Polizeibehörde überlassen.
Das Hauptaugenmerk in der Ausbildung liegt fast überall auf dem Gebrauch von Schusswaffen. Eine Umfrage unter 281 amerikanischen Strafverfolgungsbehörden aus dem Frühjahr 2015 hat gezeigt, dass die Rekruten im Schnitt nur acht Stunden in Deeskalationstechniken unterrichtet wurden. 49 Stunden aber wurden Taktiken zur Verteidigung und sogar 58 Stunden im Umgang mit Schusswaffen unterrichtet. Die Umfrage fand im Auftrag der Police Executive Research Forum (Perf) statt, eine internationale Vereinigung von Behörden, die sich für mehr Deeskalationstechniken in der Ausbildung einsetzen. Geschäftsführer des Perf, Chuck Wexler sieht die Probleme fehlerhafter Polizeiarbeit genau hier: „Wir geben Polizeibeamten nie die Schuld für ihre Taten. Denn wenn wir uns die Ausbildung anschauen, die sie durchlaufen haben, dann tun sie lediglich das, was man ihnen gesagt hat.“
Eine weitere Priorität bei der Ausbildung ist die Sicherheit des Polizisten. Aufgrund der in den USA herrschenden, lockeren Waffengesetze muss ein Polizist immer davon ausgehen, dass sein Gegenüber bewaffnet ist. Es gibt zwar keine offiziellen Statistiken über von Polizisten getöteten Menschen, Schätzungen von Experten und Datenbanken von Journalisten gehen allerdings von mindestens 1000 Personen pro Jahr aus. Im Schnitt der letzten zehn Jahre ist eine vergleichsweise geringe Zahl von Beamten im Dienst gestorben, nämlich rund 162.
Grundsatzurteile gegen Verurteilung
Das Gesetz ist bei der täglichen Arbeit stets auf Seite der Polizisten. Der Supreme Court hat 1967 den Grundsatz der „qualifizierten Immunität“ zementiert. Dieser Grundsatz schützt Polizisten vor der juristischen Verfolgung ihrer Handlungen im Dienst, wenn diese nicht gegen „klar etablierte Gesetze“ oder in der Verfassung verankertes Recht verstoßen. 1989 wurde das nächste wichtige Grundsatzurteil gesprochen, dort legte das Gericht im Fall Graham gegen Connor fest, dass Gewalt gerechtfertigt sei, wenn sie aus der Perspektive eines „vernünftig handelnden Beamten am Einsatzort“ angebracht erscheine. Außerdem kommt dazu, dass ein Polizist in wenigen Sekunden und unter Schwierigen Umständen entscheiden müsse, wie viel Gewalt er anwendet.
So lässt sich erklären, warum Gerichte bis heute Gewaltanwendungen durch Polizisten sehr selten verurteilen.
Militärisierung der Polizei
Seit den 1970er Jahren werden die Polizisten in den USA zudem als Kämpfer oder Soldaten im „Krieg gegen Drogen“ eingesetzt und sollen selbst bei kleineren Vergehen radikal durchgreifen. Polizisten hatten sogar Zugang zu ausrangiertem Militärgerät, wie Panzern oder großkalibrigen Waffen. 2015 schob der damalige Präsident Barack Obama der Militarisierung einen per Dekret einen Riegel vor. Es war Polizeibehörden nicht mehr möglich, Militärausrüstung zu bestellen. Für Drohnen und spezielle Waffen musste zudem erst ein Bedienungsnachweis gezeigt werden.
Amtierender Präsident Donald Trump revidierte diese Entscheidung seines Vorgängers und unterzeichnete unter Drängen der Polizeigewerkschaften ein entsprechendes Dekret, was zeitgleich aus der Basis seines Wahlkampfversprechens „law and order“ entsprach.
Neuer Fokus auf Deeskalation?
Seit 2014 findet vielerorts bei den Polizeibehörden allerdings eine Art Umdenken statt, meint Chuck Wexler von der Polizeivereinigung Perf. Gerade auch der Fall George Floyd, zeigte für ihn, dass sich etwas geändert habe. „Früher hätte ein Polizeichef eine formelle und langwierige Untersuchung abgewartet, bevor er irgendwelche Maßnahmen ergriffen hätte, dessen Verhalten womöglich illegal war“ schrieb Wexler in einer Stellungnahme zu den Unruhen. Minneapolis Polizeichef aber habe die vier Beamten, die in Floyds Tod involviert waren, umgehend entlassen und zur Anklage gebracht, „er akzeptiert solches Fehlverhalten nicht mehr“.