WieL gelesen: „The Big Five for Life“ – John Strelecky
25. September 2022WieL unterwegs: Ein Wochenende in Holland
11. Oktober 2022WieL gelesen: Was vom Tage übrigblieb von Kazuo Ishiguro
Kurze Zusammenfassung
In „Was vom Tage übrigblieb“ geht es um den Butler Stevens. Dieser erzählt von seinem Leben im Herrenhaus Darlington Hall in Oxfordshire, wo er zunächst für den Grafen Lord Darlington tätig war, bevor das Haus an den Millionär Mr. Farrady verkauft wurde, für den er nun arbeitet. Da Mr. Farrady für ein paar Tage verreisen muss, erlaubt er auch Stevens, Darlington Hall für ein paar Tage zu verlassen, um seinerseits ein paar Tage Urlaub in der Region machen zu können. Die Erzählperspektive wechselt folglich stets zwischen Stevens Memoiren und einem Bericht seiner Reise.
Deutung
Erwähnenswert ist vor allem der Umstand, dass in seinen früheren Dienstjahren unter Lord Darlington in den 1920er- und 1930er-Jahren, verschiedenste Konferenzen in Darlington Hall abgehalten wurden. Bei diesen war es Stevens möglich verschiedenste wichtige Persönlichkeiten zu bedienen, worauf er sehr stolz zu sein scheint. In der Rückschau scheint Lord Darlington durch sein Ausrichten dieser Konferenzen dem Aufstieg des Nationalsozialismus erheblich Vorschub geleistet zu haben. Steven betont jedoch stets, dass der Lord nur das Beste für die deutsche Bevölkerung im Sinn gehabt habe. Dieser wolle nur das Leid des Volkes nach dem Ersten Weltkrieg mindern. Als jedoch schließlich deutlich wird, worin Lord Darlingtons Engagement mündet, stirbt dieser als gebrochener Mann. In seinen Berichten scheint Stevens das Verhalten seines Herrn immer deutlich zu schönen.
Stevens Leben in Illusion
Selbst offen rassistische und antisemitische Äußerungen, vermag er stets zu relativieren. Er glaubt in Lord Darlington den idealen Dienstherrn gefunden zu haben und konzentriert jegliche Aspekte seines Lebens darauf, ihm ein guter Butler zu sein. So setzt sich das Buch viel mit den Pflichten eines Butlers auseinander, bei Stevens oftmals bis zur eigenen Verleugnung. So stirbt beispielsweise Stevens Vater während einer der Konferenzen. Stevens kann jedoch nicht bei ihm sein, da er es für wichtiger erachtet, seinen Pflichten als Butler nachzukommen. Die Reise von Steven durch die Region endet schließlich in mit einem Besuch bei einer ehemaligen Haushälterin Darlington Halls, Miss Kenton, die das Haus vor Jahren verließ, um zu heiraten.
Stevens Weg zur Reflexion
Durch Stevens Schilderungen ihrer gemeinsamen Zeit wird deutlich, dass er eigentlich in Miss Kenton verliebt ist. Auch diese scheint Stevens gegenüber zwar grundsätzlich nicht abgeneigt zu sein, hat sich jedoch wegen seiner vermehrten Zurückweisungen in ihrer gemeinsamen Zeit anders orientiert. Sie ist unglücklich in ihrer Ehe, kehrt jedoch immer wieder zu ihrem Mann zurück. Als Stevens davon erfährt, wird ihm auf einmal seine eigene Lebenslüge bewusst: „In der Tat – warum sollte ich es nicht zugeben? In diesem Moment brach mir das Herz.“ Letztlich fällt Stevens diese Einsicht sehr schwer und er überlegt, was er nun noch mit dem Rest seines Lebens anfangen möge, also “Was vom Tage übrigblieb“.
Rezension
Das Buch ist sehr zu empfehlen. Besonders die Sprache zur Beschreibung von Stevens Tätigkeiten ist sehr angenehm zu lesen. Auch regt das Buch dazu an, über das eigene Verhalten zu reflektieren. Belügt man sich selbst womöglich auch manchmal, um das eigene Handeln zu rechtfertigen? Oftmals erscheint das Verhalten von Stevens sehr seltsam, wird jedoch in der Rückschau nachvollziehbar. Die Rolle des unzuverlässigen Erzählers Stevens ist dabei so genial inszeniert, dass einem als Leser zwar die Widersprüche innerhalb von Stevens Ausführungen auffallen, man jedoch wegen seiner Verblendung fast gewillt ist, seinen Worten Glauben zu schenken. Stevens ist, wenn auch nicht besonders sympathisch, dann doch eine Figur, deren Handeln sich gut nachvollziehen lässt. Letztlich ist Stevens ein recht plakatives Symbol für jeden Menschen, seine Handlungen und seine Zweifel. Stevens jedoch, der stets seiner vermeintlichen Pflicht nachgekommen ist, bemerkt erst am Ende seiner Tage, dass er sein Leben schlicht verschwendet hat. So erscheint das Buch auch gerade als Mahnung, sein eigenes Handeln zu hinterfragen.
Tipp
Das Buch „Was vom Tage übrigblieb“ von Kazuo Ishiguro wurde 1994 verfilmt und ist sehr zu empfehlen. Besonders Anthony Hopkins hat mich mit seinen Schauspielkünsten begeistert.