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8. Juni 20208. Mai – 75 Jahre Befreiung
Über den Tag der Befreiung
Die Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 gehört wohl zu einem der bedeutendsten Ereignisse in der Geschichte Deutschlands. Es ist zeitgleich auch jener Tag gewesen, der das Land vom Nationalsozialismus „befreit“ hat. Der Grund: Die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Der 8. Mai 1945 markiert also das Kriegsende des Zweiten Weltkrieges. Dieser Tag jährt sich nun zum 75. Mal.
75 Jahre Kriegsende und „Tag der Befreiung“.
Niederlage oder doch Befreiung?
In der Politik und in den Medien stach hinsichtlich des Wordings eines immer wieder negativ hervor – und das schon seit Jahrzehnten. Die „Befreiung“ (vom Nationalsozialismus). Impliziert eine Befreiung nicht, dass man vorher Gefangener war? Und ist Deutschland nicht Verursacher des Weltkrieges? Wie kann ein Land befreit werden von einem Regime, welches bei den Wahlen im Jahr 1933 mit großem Abstand die relative Mehrheit erzielte? Ein großer Teil des Volkes hatte ebendiese Partei, die NSDAP, gewählt und erbrachte ihr einen Stimmanteil von 39,5 Prozent. Dieses Detail darf eben nicht in Vergessenheit geraten.
In einer Kolumne des „Spiegel Politik“ heißt es: „Befreiung“ ist jetzt der Begriff eines Deutschlands, das sich selbst begnadigt.
Ein Tag der Befreiung sei es für viele Länder auf der Welt, aber doch nicht für Deutschland, oder? Für Deutschland war es, so hieß es oft, in erster Linie eine Niederlage.
Es macht aber den Anschein, dass heutzutage ein anderes, milderes Verständnis von dem herrscht, wie die damalige Situation in der Gesellschaft bewertet wurde. In dem „Spiegel Politik“ Artikel heißt es weiter, die Mehrheit der heutigen Generation spreche die damalige Generation frei von Schuld. Dies sei aus einer Befragung hervorgegangen.
War es aber nun eine Befreiung? Für viele Menschen war es das in jedem Fall. Für die Menschen aus besetzten Gebieten, dann für die tausenden Menschen in den Konzentrationslagern, für die Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter war es eine Befreiung. Viele deutsche Bürger empfanden diesen Tag aber ebenfalls als Befreiung, als Befreiung vom menschenverachtenden System der Nationalsozialisten. Das Leid der Menschen sollte zwar nicht gegeneinander abgewogen werden, trotzdem betrifft die Befreiung einige Gruppen stärker als andere.
Über die Schwierigkeit einer Zuordnung
In einem Podcast des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) wird diese schwierige Täter-Opfer Zuweisung noch einmal herausgestellt. Zu Gast sind Oberstleutnant Dr. John Zimmermann und Dr. Peter Lieb. Zimmermann ist Leiter des Forschungsbereichs „Deutsche Militärgeschichte bis 1945“ an der ZMSBw. Lieb ist wissenschaftlicher Oberrat an der ZMSBw und seit 2018 ebenfalls Lehrbeauftragter an der Universität Potsdam.
Dr. Peter Lieb ist der Meinung, dass Täter- und Opferschaft auf deutscher Seite sehr nah beieinander liegen, was die Auseinandersetzung mit diesem Thema so schwierig mache. Er gibt zu bedenken, dass eine Pauschalisierung des Begriffs „Befreiung“ für sein Verständnis, und aus heutiger Sicht, nicht treffend gewählt sei, da nur der Westen Deutschlands die schlussendliche Freiheit erhielt. In Ostdeutschland sei die eine Diktatur lediglich von einer anderen Diktatur abgelöst worden.
Dr. John Zimmermann teilt zwar grundsätzlich die Meinung von Lieb, sagt aber auch, dass er die Bezeichnung „Befreiung“ durchaus zutreffend findet für diesen wichtigen Tag der deutschen Geschichte. Weiter heißt es, dass er sich keine Welt vorstellen mag, in der das NS-Regime den Weltkrieg gewonnen hätte, daher könne sehr wohl von einer Befreiung des NS-Regimes gesprochen werden.
Richard von Weizsäcker: „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung“
Von Befreiung sprach auch der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker schon in seiner Rede im Jahr 1985. Die Mehrheit der deutschen Gesellschaft empfand damals den 8. Mai als Niederlage. Von Weizsäcker widersprach dieser Vorstellung in seiner Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes. Er machte dabei keinen Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland, als er sagte: „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“.
08. Mai – Ein Feiertag?
Dieser Tag, mag er nun heißen wie er eben heißt, trägt aber weiterhin zur Erinnerungskultur in Deutschland bei. Aus diesem Grund gibt es immer wieder Stimmen, die sich diesen Tag als bundesweiten Feiertag wünschen. In Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg ist der Tag der Befreiung ein staatlicher Gedenktag. Berlin hat den Tag anlässlich des 75. Jubiläums als einmaligen Feiertag erklärt.
Die jüngsten Generationen haben zumeist zwar schlichtweg keine direkten Berührungspunkte mehr mit dem Zweiten Weltkrieg (gemeint sind Auswirkungen des Krieges oder Kontakt zu Zeitzeugen), jedoch wird die Präsenz eines solchen Tages weiterhin Teile des kollektiven Gedächtnisses bilden. „Um eine Verbindung mit diesem Datum in kommenden Generationen zu erhalten, sollte der Tag der Befreiung jedoch als ein besonderer Tag im Bewusstsein verankert werden“, meint Linken-Chefin Katja Kipping gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) und spricht sich für einen bundesweiten Feiertag aus. Der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland sieht dies allerdings anders. Zwar habe der 08. Mai auch positives hervorgebracht, trotzdem sollte dieser Tag seiner Meinung nach nicht als Glückstag gefeiert werden.
Den entscheidenden Impuls zu dieser Debatte gab die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano im Januar dieses Jahres, indem sie einen offenen Brief an die Bundesregierung schrieb. Die 94-jährige fordert einen bundesweiten Feiertag für den 8. Mai. Darin schreibt sie: „Und es hilft vielleicht, endlich zu begreifen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, der Niederschlagung des NS-Regimes“. In einer Petition, welche vor wenigen Wochen zu ihrer Forderung gestartet wurde, kamen 98.000 Unterschriften zusammen. Die Ergebnisse wurden gestern dem Bundestag übergeben.
Ein kurzer Blick nach Lingen!
Doch blicken wir einen kurzen Moment auf das Kriegsende in Lingen. Das Bild des Eisenbahnausbesserungswerks lässt erahnen, was die Luftangriffe 1944 in ganz Lingen angerichtet haben. Doch wie haben die Bürger das Kriegsende erlebt? Die meisten Lingener befanden sich zum Ende des Krieges nicht direkt in Lingen. Sie waren mit ihren Familien in umliegende Orte geflohen, um dort Schutz zu suchen. Zeitgleich marschierten die Engländer in Lingen ein. In der Innenstadt kam es zu tagelangen Straßenkämpfen. Schwere Artilleriebeschüsse von den Alliierten Truppen, aber auch von der deutschen Wehrmacht, richteten große Schäden in Lingen an. Der Krieg endete dann in Lingen bereits am 8. April 1945, also rund einen Monat vor der deutschen Kapitulation. Die Engländer hatten Lingen eingenommen. Als die Bürger dann nach Lingen zurückkehrten, waren die meisten Wohnungen und Häuser bereits geplündert worden. Die Alliierten Truppen, aber auch die Lingener Bürger selbst, waren dafür verantwortlich. Des Weiteren war die Strom-, Wasser- und Gasversorgung zusammengebrochen und es herrschte Lebensmittelknappheit.
Doch wie gingen die Bürger mit dem Kriegsende um? Für viele war es ein Tag der Niederlage und der Enttäuschung. Wieder andere hatten Angst vor den fremden Truppen oder empfanden große Erleichterung, als die Luftangriffe und der Artilleriebeschuss aufhörten und deutlich wurde, dass der Krieg zu Ende war. Ein anderer Teil empfand es aber als Tag der Befreiung von den Schrecken des Krieges und des NS-Regimes.
Wie wichtig die Auseinandersetzung mit diesem Thema ist, dürfte nun deutlich geworden sein. Ob es nun „Tag der Befreiung“ heißen sollte oder nicht, darüber sollte und kann sich jeder seine eigene Meinung bilden.
„75 Jahre Frieden – das muss man wertschätzen und darf es nicht als gegeben abhaken“, so Bundestagspräsident Wolfang Schäuble in einem Interview mit dem RND. Und mit dieser Aussage hat er wohl recht! 75 Jahre Kriegsende heißt auch: 75 Jahre Frieden!