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15. Februar 2025Wabi-Sabi: Die Kunst der Unvollkommenheit im eigenen Zuhause
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Wabi-Sabi ist ein zentrales Konzept der japanischen Ästhetik, das die Schönheit in Vergänglichkeit, Unvollkommenheit und Einfachheit betont. Seine Ursprünge reichen bis ins 14. Jahrhundert zurück, als die Begriffe „Wabi“ (侘) und „Sabi“ (寂) noch eine andere Bedeutung hatten.
Die Ursprünge von Wabi und Sabi:
Wabi 侘 :
Bis ins 14. Jahrhundert wurde „Wabi“ (侘) mit Einsamkeit assoziiert, insbesondere mit der Erfahrung, isoliert von anderen Menschen in der Natur zu leben. Es beschrieb das Gefühl eines Einsiedlers, der fernab der Gesellschaft in der Stille der Natur verweilte.
Sabi 寂 :
„Sabi“ (寂) hingegen bezog sich auf etwas, das einst schön war, aber seine Blütezeit hinter sich hatte, wie zum Beispiel eine verwelkende Pflanze oder ein abgenutztes Kleidungsstück.
Im 15. Jahrhundert wandelte sich die zuvor eher negative Bedeutung dieser Begriffe im Zen-Buddhismus zu einer positiven. „Wabi“ wurde nun mit der bewussten Entscheidung verbunden, in der Einfachheit und Zurückgezogenheit der Natur inneren Frieden zu finden. „Sabi“ beschrieb nicht mehr nur den Verfall, sondern vielmehr die Würde und Schönheit, die mit dem Alter und der Nutzung eines Objekts entstehen. Die entstehenden Unvollkommenheiten und Gebrauchsspuren galten als Zeichen eines langen und erfüllten Lebens.
Eine Lebensphilosophie:
Die Kombination von „Wabi“ und „Sabi“ führte zu einer tiefen Erkenntnis: Nichts ist von Dauer, doch gerade in dieser Vergänglichkeit liegt eine einzigartige Schönheit. Diese Philosophie wurde von Zen-Buddhisten als Mittel zur Erreichung von Erleuchtung und geistiger Reife angesehen.
Wabi-Sabi steht im Gegensatz zu modernen Konsumkulturen, die ständig nach Perfektion und Neuerung streben. Anstatt Dinge zu ersetzen, wenn sie Gebrauchsspuren aufweisen, lehrt Wabi-Sabi, die Spuren der Zeit zu ehren und in der Unvollkommenheit die wahre Schönheit zu entdecken.
Die Bedeutung in Kunst und Alltag:
Wabi-Sabi ist nicht nur eine ästhetische Idee, sondern auch ein Lebensstil. Es beeinflusst verschiedene Bereiche der japanischen Kultur, darunter:
- Teekunst: Die japanische Teezeremonie ist ein Paradebeispiel für Wabi-Sabi. Schlichte, handgefertigte Teeschalen mit unregelmäßigen Formen und Gebrauchsspuren verkörpern die Würde der Vergänglichkeit.
- Architektur und Design: Natürliche Materialien, wie Stein oder Ton, schlichte Formen und sichtbare Alterungsspuren sind charakteristisch für die Wabi-Sabi-Ästhetik.
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Wabi-Sabi heute:
In einer Zeit, in der Perfektion und Materialismus dominieren, bietet Wabi-Sabi eine alternative Perspektive: die Wertschätzung von Einfachheit, Bescheidenheit und der natürlichen Alterung von Dingen. Wir können diese Philosophie aufgreifen, um uns von der Hektik des modernen Lebens zu lösen und eine tiefere Verbindung zur Natur und zum eigenen Dasein zu finden.
Wabi-Sabi erinnert uns daran, dass Perfektion eine Illusion ist und, dass wahre Schönheit in der Unvollkommenheit der Dinge liegen kann. Es lehrt uns, den Moment zu schätzen und die Einzigartigkeit in allem zu sehen, was mit der Zeit altert und sich verändert. Letztlich ist es schließlich ein Geschenk Leben sehen zu dürfen und wie sich dieses mit der Zeit verändert. Auch ein Stück Holz war irgendwann ein Baum der sein „Leben“ für ein Möbelstück gegeben hat, dieses sollte geehrt werden, in dem es nicht bei kleinen Gebrauchsspuren direkt entsorgt wird. Es gibt zum Beispiel viele Wege ältere Gegenstände upcyclen und aufzuwerten, wenn sie nicht mehr „neu“ aussehen oder man einfach etwas frischen Wind haben möchte ohne direkt etwas wegzuwerfen.
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Wabi-Sabi zu Hause: Mache es selbst
Dein alter Holztisch entspricht nicht mehr deinem Geschmack, und die orange Farbe wirkt nicht mehr zeitgemäß? Anstatt ihn zu entsorgen, gib ihm ein neues Leben! Holzoberflächen lassen sich abschleifen, neu ölen oder beizen – und das immer wieder. Deshalb lohnt es sich, beim Möbelkauf auf natürliche Materialien zu setzen. Ein Massivholztisch mag zwar teurer sein als einer aus Kunststoff, doch er hält deutlich länger und kann über die Jahre hinweg immer wieder aufgewertet werden.
Ebenso lassen sich viele Möbelstücke selbst anfertigen, was nicht nur nachhaltig ist, sondern auch ein Gefühl der Selbstverwirklichung vermittelt. Lampenschirme können beispielsweise einfach aus Pappmaché und Gips geformt werden. Ein schönes Bild muss nicht gekauft werden – warum nicht selbst zum Pinsel greifen? Und ein Regal lässt sich aus einem Stück Holz individuell zuschneiden und gestalten.
Häufig legen wir Wert darauf, unser Zuhause schnell und bequem einzurichten, doch gerade, weil wir uns täglich darin aufhalten, lohnt es sich, mit Bedacht und Kreativität eine Umgebung zu schaffen, die nicht nur schön, sondern auch langlebig und bedeutungsvoll ist. Indem wir Dinge selbst gestalten und ihnen unsere persönliche Note verleihen, entsteht eine Einrichtung mit Charakter – eine, die ihre eigene Geschichte erzählt.
Quellen
- Juniper, Andrew (2011): Wabi Sabi: The Japanese Art of Impermanence. Tuttle Publishing.
- Koren, Leonard (2008): Wabi-Sabi for Artists, Designers, Poets & Philosophers. Imperfect Publishing.
- Ungvarsky, Janine (2025): Salem Press Encyclopedia.
- Stanford Encyclopedia of Philosophy: Japanese Aesthetics (https://plato.stanford.edu/entries/japanese-aesthetics/#WabiSimpAustBeau).
Die Fotos im Artikel stammen von der Autorin.